Little stellt euch in dieser Kolumne das free2play System des Spiels Drakensang Online vor und erklärt euch, warum sich C&C hier lieber nichts abschauen sollte.

Was ist „Drakensang Online“?

„Drakensang Online“ ist ein browserbasiertes Online aRPG (Hack and Slay) vom deutschen Entwickler Bigpoint. Das Spiel ging im August 2011 an den Start und spielt in der besonders in Deutschland durch das Pen und Paper Rollenspiel „Das schwarze Auge“ bekannten Welt Aventurien. Allerdings bietet das Spiel nur für wirkliche Kenner der „Das schwarze Auge“ Spielwelt einen Wiedererkennungswert. Für Neulinge könnte dies auch eine völlig beliebige Spielwelt sein da dass Spiel sich keine Mühe gibt einen Bezug herzustellen.
Im Spiel übernimmt man die Rolle eines von drei Helden (Krieger, Magier, Waldläufer) und steuert diesen, ganz im Stil von Diablo und ähnlichen Titeln, durch diverse Quests und insbesondere Horden von Monstern. Dabei sammelt man genretypisch Unmengen an Ausrüstung und levelt seinen Charakter auf.

drakensangonline april2012 007 Drakensang Online und free2play

Wie sieht das Free2Play Modell in „Drakensang Online“ aus?

In „Drakensang Online“ gibt es wie übliche eine Echtgeld-Währung. Diese heißt hier Andermant und ist in verschiedenen Staffelungen erhältlich. Vom Kleinstbetrag von 1,99 Euro, welcher auch per SMS erworben werden kann, bis hin zu wahnwitzigen 128.000 Andermant für gerade einmal 109,00 Euro. Das wichtige dabei ist natürlich der Wechselkurs. Je nach Staffelung bekommt man für einen Euro zwischen 750 und 1120 Andermant. Bei der wahrscheinlich häufig gewählten Staffelung für 18 Euro sind es 890 Andermant für einen Euro. Um einfacher rechnen zu können kommen wir dem Spiel für diesen Vergleich am besten sogar etwas entgegen und rechnen mit 1000 Andermant für einen Euro.

Als nächstes muss man natürlich erläutern was man dafür in „Drakensang Online“ kaufen kann. Die kurze Antwort wäre wohl: alles. Für die volle Wahrheit muss man aber etwas ausholen. Das Spiel gibt dem Spieler alles nötige an die Hand um loszulegen und durch das Spiel zu kommen. Aber eben nur gerade so.
Das Inventar ist auf 28 Plätze beschränkt und das Spiel (insbesondere in den frühen Phasen) gibt sich die beste Mühe einem das Inventar, zusätzlich zu den Drops, mit Questgegentänden voll zu müllen. Will man sein Inventar nun erweitern so kosten sieben weitere Plätze 1600 Andermant, 1,60 Euro. Weitere Plätze werden immer teurer, 3200 Andermant, dann 4800 Andermant und so weiter. Da ist es manchmal schon fast ein Segen, dass man die magischen Truhen in den Dungeons nur mit einem Schlüssel öffnen kann, welcher ebenso Andermant kostet. Die niedrigsten Schlüssel aus Kupfer droppen angeblich auch im Spiel. In unseren 12 Stunden mit „Drakensang Online“ haben wir nicht einen gefunden. Natürlich gibt es dort auch noch normale Truhen die sich jederzeit öffnen lassen, aber etwas wirklich nützliches ist dort selten drin.

Aber selbt wenn wir nicht alles mitnehmen was droppt ist unser Inventar trotzdem schnell voll mit magischen Gegenständen die wir natürlich identifizieren wollen. Dafür benötigt man sogenannte Kritalle der Wahrheit. Diese droppen in geringen Mengen von Monstern, oder man bekommt diese im hunderter Pack für schlappe 450 Andermant (0,45 Euro). Kann man die verbesserten (grünen) Gegenstände noch auf jedem Level leicht über die Drops identifizieren wird dies ab Level 30 mit den magischen (blauen) Gegenständen schon schwierig. Dort benötigt ein Gegenstand schon rund 50 Kristalle um identifiziert zu werden. Ein außergewöhnlicher schon 200 Kristalle. Wollen wir einen einzigartigen (die seltensten und stärksten Gegenstände im Spiel) identifizieren so braucht man dafür ganze 1980 Andermant, umgerechnet also 1,98 Euro. Oder man muss lange farmen. Verdammt lange. Während des Testlaufs für diese Kolumne war es mit den gefundenen Kristallen gerade so möglich die Ausrüstung mit grünen und ein paar blauen Gegenständen ungefähr auf dem Level des Charakters zu halten. An das Tragen der paar gefundenen außergewöhnlichen Gegenstände war dabei nicht zu denken. Rund 50% der gefundenen Gegenstände landetetn unidentifiziert bei einem Händler da durch dass fehlen einer Handelsoption zwischen Spielern keine Möglichkeit besteht Profit aus dem Drop zu schlagen. Die paar mickrigen Silbertaler die die Händler für so einen Fund rausrücken sind kaum der Rede wert.
Natürlich denkt man sich das man diese Gegenstände aufheben könnte, was sich aber durch den begrenzten Inventarplatz schwierig gestaltet. Es gibt zwar noch eine Schatztruhe die man mit circa Stufe 20 freischaltet, allerdings beinhaltet diese auch nur zehn Plätze und für fünf weitere will das Spiel wieder 800 Andermant, also 80 Cent sehen.

Hat man seinen Unmut darüber überwunden und sich damit abgefunden dass man so unterhalb des Maximallevels wohl keine Ausrüstung jenseits der Seltenheitsstufe „magisch“ (die zweite von fünf) tragen wird bieten einem natürlich auch die Händler die Möglichkeit neue Ausrüstung zu erwerben. Normale Händler bieten jedoch nur weiße, also Ausrütung ohne jegliche magische Eigenschaften an. Will man magische Ausrüstung muss auch dafür Andermant abgedrückt werden. Ein Kauf mit den von Monster erbeuteten Goldstücken ist nicht möglich. Je nach Gegenstand und Stufe schlagen Ausrüstungsgegenstände mit 600 bis 2500 Andermant zu Buche. Fairerweise muss man allerdings sagen das der Zugriff auf diese Händler nicht erforderlich ist um im Spiel weiter zu kommen.
Es gibt aber noch weitere Möglichkeiten Defizite im Equipment zu beseitigen. Beispielsweise lassen sich Gegenstände verbessern, was mit rund 500 Andermant zu Buche schlägt. Ebenso kann man Edelsteine einsetzen, diese droppen auch von Monstern, allerdings haben wir während des Testzeitraumes keinen magischen Edelstein droppen sehen, haben aber auch nicht das höchste Level erreicht. Bei einem Händler bezahlt man zwischen 30 und 2600 Andermant für einen Edelstein, wobei dies bei niedrigstufiger Ausrüstung selbstverständlich Geld- beziehungswese Andermantverschwendung wäre. Die besten Edelsteine bekommt man nur über das Crafting, was bedeutet dass man vier mal den gleichen Edelstein benötigt. Wer sich diese also über Andermant kaufen möchte der wäre bei der höchsten Stufe bei satten 52.600 (52,60 Euro) Andermant angelangt. Für einen einzigen Edeltstein auf der höchsten Stufe.

Die letzte Möglichkeit den Charakter direkt zu verbessern ist wohl auch die umstrittenste. Die Essenzen. Diese kauft man entweder für 300 (+100%) oder 1200 (+300%) Andermant. Ausnahmsweise bekommt man dieses mal aber auch etwas Vergleichbares für Gold, allerdings erhöhen diese den Schaden maximal um +40, was ungefähr dem Schaden auf Stufe 20 entspricht und somit irgendwann nicht mehr relevant ist. Zudem halten Essenzen nur begrenzt, nach ein paar hundert Angriffen ist ein 999er Stapel verbraucht. Bei einem Hack and Slay ist das schneller als man denkt. Fairerweise droppen beide Arten von Essenzen gelegentlich von Monstern. Wer also kein Geld dafür investieren möchte muss „nur“ fleißig sammeln und diese nur gezielt einsetzen. Allerdings ist eines hierbei besonders kritisch: Essenzen sind auch im PvP einsetzbar. Spätestens hier lässt sich ein Pay2Win Vorwurf nicht mehr abwiegeln.

Das letzte Item was wir anschneiden wollen darf natürlich in keinem Hack and Slay fehlen: Heil- und Manatränke. Auch diese sind exklusiv für Andermant verfügbar. Zehn davon belasten das Konto mit circa 500 Andermant, allerdings können diese auch droppen. Jedoch nicht in den Maßen wie man es als Free2Play Spieler gerne hätte. Gerade nach Stufe 20 gehen einem des Öfteren einmal die Heiltränke aus, da die Anzahl der Monster zunimmt und man dann die Nachteile der sehr groben und hackeligen Steuerung teils deutlich zu spüren bekommt. Ebenso wie in Diablo III droppen manche besiegten Gegner kleine Lebenskugeln die man aufsammeln muss. Aber diese fallen zufallsgeneriert und eben oftmals nicht dann wenn man sie braucht und vor allem füllen sie auch nur einen Teil des eigenen Lebens auf.
Fairerweise führt das eigene Ableben aber zu keinem größeren Nachteil. Lediglich muss man wieder von der nächst größere Stadt zu dem Ort laufen wo man gestorben ist, insofern man überhaupt dorthin zurück möchte. Ein direkter Wiedereinstieg am Anfang des Gebiets benötigt ein Item für 40 Andermant, ein sofortiger Wiedereinstieg am Ort des Ablebens eines für 120 Andermant. Oder man wählt die Schnellreise. Jedoch kann man aber nur zwischen den Städten für Goldmünzen reisen, anderen Gebiete kosten rund 40 Andermant. Für Free2Play User also keine Alternative.

 

drakensang online 20010317 2 Drakensang Online und free2play

Wie „teuer“ ist „Drakensang Online“?

Hier wird es dann haarig. Wie bereits eingangs erwähnt droppen sowohl Andermant als auch einige der für Andermant erhältlichen Gegenstände von Monstern. Das Problem und auch gleichermaßen die Finanzierung des Spiels ist, dass diese Gegenstände nie so zahlreich droppen dass man das Gefühl hat ohne Andermant auszukommen, aber auch nicht so selten dass man sich zu Anfangs sofort genötigt fühlt zu bezahlen. Dadurch dass man Andermant einmalig durch Quests und die, wenn auch seltenden, Drops verdient sind zumindet ein paar kleine Investitionen für Free2Play Spieler drin.
Bis Stufe 25 kamen beim Testchar rund 2500 Andermant zusammen. Bis zum Maximallevel dürfte sich dieser Wert noch einmal schätzungsweise verdoppeln. Das ist an und für sich nicht wenig und zeigt auch das wer es nicht möchte keinen einzelnen Cent investieren muss. Allerdings fühlt man sich, gerade durch eine fehlende Handelsfunktion als Free2Play User oftmals eingeschränkt wenn man keine Heiltränke oder Kristalle der Wahrheit für Gold kaufen kann. Das man zudem absolut nicht sinnvolles für die gefundenen Kupfer, Silber und Goldmünzen erwerben kann hilft auch nicht dabei das man sich als Free2Play User allzu sehr ernst genommen fühlt.
Zudem muss man sich darüber klar sein dass man als Free2Play User darauf angewiesen ist zu „farmen“, also Gegenden mit schwächeren Monstern stundenlang, insbesondere für Kristalle der Wahrheit, abzugrasen. Wer auf monotone Fließbandarbeit steht hat damit wahrscheinlich kein Problem, es ist jedoch fraglich ob man seine Freizeit nicht sinnvoller verbringen könnte. Und damit sind nicht Dinge wie ein Hundebaby adoptieren oder einen Baum pflanzen gemeint. Sondern zocken.

Denn möchte man sich gerade eben nicht viele Abende mit Farmen um die Ohren schlagen dann führt dies unweigerlich zu einem, wenn nicht dem größten Kritikpunkt des Spiels: es ist ein Fass ohne Boden. Nur wenige Gegenstände wie die Erweiterungen für Inventar- und Truhenplätze sind von Dauer, der absolute Großteil der für Andermant kaufbaren Gegenstände sind Verbrauchsgegenstände. Den Betrag den man investieren kann kennt keine Grenzen, er ist in keiner Weise gedeckelt. Es gibt nahezu immer irgendetwas mehr oder weniger „sinnvolles“ das man kaufen könnte welches sich durch Spielzeit garnicht, oder nur unfassbar langsam erreichen lässt. Das Spiel basiert nicht wie viele der neuren Free2Play-Titel vor allem auf kosmetischen, sondern primär auf spielerischen Verbesserungen. Exakt das was man geläufig als „Pay2Win“ bezeichnet. Könnte man dies im PvE Teil des Spiels noch ignorieren kann man dies im PvP von „Drakensang Online“ nicht mehr wegdiskutieren. Ein Hack and Slay oder RPG zu balancen ist oftmal schon aufgrund der Level und Itemunterschiede nahezu unmöglich. Gerade durch die Essenzen wird dieser Effekt hier noch verstärkt und führt das PvP System komplett ad absurdum. Das erfolgreiche PvP Spieler durch eine Form von PvP-Talentbaum noch stärker werden, damit fangen wir am besten garnicht erst an.

Was kann sich Command and Conquer davon abschauen?

Es kann sich davon eine Menge abschauen. Nur hoffen wir einfach mal dass es das nicht tut.
„Drakensang Online“ ist eines dieser Spiele das einem dadurch, dass die Bezahlwährung sowie nahezu alle dafür erwerbbaren Gegenstände droppen können ständig suggerieren möchte dass man auch als Free2Play Spieler durch kommt. Und das stimmt auch. Aber man ist nie wirklich zufrieden. Immer wieder fehlt einem dieses, fehlt einem das. Und genau das möchte das Spiel bezwecken, darauf basiert das Geschäftmodell. Hier muss aber auch gesagt sein dass dieses Gefühl an und für sich nichts schlechtes ist. Nahezu jedes F2P Spiel basiert darauf. Für den Konsumten ist dies aber die nahezu denkbar ungünstigste Form von „Free2Play“. Der Erfolg von Spielen wie des zuvor erwähnten „League of Legends“ beruht darauf, dass man dafür Geld ausgeben möchte weil man viel Zeit in das Spiel investiert hat und es einem gefällt, nicht weil einem das Spiel konsequent daran „erinnert“ dass man es doch viel leichter haben könnte wenn man endlich nicht so geizig wäre und den Geldbeutel öffnen würde.
Aber ab einem gewissen Punkt fängt „Drakensang Online“ genau damit an. Wie das berühmte Teufelchen auf der Schulter flüstert es dem Spieler Marketinggewäsch ins Ohr.
Dann gibt es nur drei Optionen: man klatscht das Männchen gegen die Wand und macht sturr weiter, was oftmals viele Stunden stupides farmen in Low-Level Gebieten bedeutet. Option zwei wäre man gibt dem Männchen nach und kauf etwas Andermant. Allerdings gibt es beim Spieldesign von „Drakensang Online“ dann keine Garantie, dass der Effekt nach einigen Stunden Spielzeit nicht wieder einsetzt und man schnell eine hübsche Stange Geld verpulvert hat.
Die letzte Option wäre dass man auf das Engelchen auf der anderen Schulter hört, sich denkt „Dafür ist meine Zeit zu Schade“. Am Anschluss am besten die Homepage im Router sperrt sowie ein paar Euro in die Hand nimmt und sich entweder alte Hack and Slay Klassiker wie Titan Quest, oder neuere Titel wie Diablo 3 oder Torchlight 2 kauft. Zudem steht mit „Path of Exile“ ein direkter Free2Play Konkurrent in den Startlöchern der (zumindest bisher) über ein wesentlich faireres Bezahlmodel verfügt.
Trotz der zwei Entwicklerpreise die es irgendwie geschafft hat abzuräumen (was wohl entweder eine Menge über den Preis, den Entwicklungsstandort Deutschland oder sogar beides aussagt) und dass man man eigentlich niemanden vorschreiben will womit sie oder er seine Freizeit verbringen soll, fällt einem bei diesem Geschäftmodell und der starken Konkurrenz kein Grund ein warum man das Spiel empfehlen sollte.
… okay, die Hintergrundmusik ist richtig gut.

Bei diesem zugegeben vernichtenden Fazit verwundert es dann doch wenig, dass Bigpoint am 24.10.2012 die Entlassung von 120 Mitarbeitern in Deutschland und den USA , darunter der CEO und alle Angestellten des Studios in San Francisco, bekannt gab. Dieses Studio war für die Entwicklung von „Battlestar Galactica: Online“ zuständig, welches wir euch zu einem späteren Zeitpunkt vorstellen werden.
Am gleichen Tag (der Ankündigung des iPad Mini, ein Schelm wer Böses dabei denkt) gab auch Branchenprimus Zynga 100 (weitere) Entlassungen bekannt. Die „goldene“ Zeit des Free2Play Booms, wenn dies überhaupt jemals existiert hat und nicht nur eine Blase war, scheint vorrüber. Allerdings muss man auch dazu sagen dass beide Firmen nicht für ihre faires Geschäftmodell bekannt sind und sich daraus kein allgemeines Ende von Free2Play ableiten lässt. Dennoch sollte sich EA ganz genau anschauen von welchem der Akteure im Free2Play Sektor sie sich etwas für ihre kommenden Titel abschauen wollen.

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