Mindestlohn, Arbeitsmarkt, Niedrigzinsen, Eurokrise... revisited

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Feb 2, 2007
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damit die entwicklung dieser themen, welche ansich mindestens so fundamental wie die flüchtlingsthematik sind, nicht untergeht, möchte ich mit 2 artikeln eröffnen:
ich habe sie von hier: http://www.nachdenkseiten.de/?p=33204#h01

heiner flassbeck erzählt das üblich richtige: http://www.trend.at/standpunkte/deflation-deutschland-woher-6340973

h.w. Sinn wird argumentativ in einem interview völlig (!) zerlegt: https://www.taz.de/!5296958/
gerade hier bilde sich jeder selbst eine meinung!
Weniger freundlich ausgedrückt: Deutschland hat die Löhne gedrückt und dann gigantische Exportüberschüsse aufgehäuft. Aber es können nicht alle Länder exportieren, es muss auch jemand importieren.

hw:"Was immer die Überschüsse erklärt: Deutschland ist heute in Relation zu Südeuropa zu billig. Volkswirte der Investmentbank Goldman Sachs haben geschätzt, dass Deutschland im Vergleich zur restlichen Eurozone um 31 Prozent teurer werden müsste, um Italien & Co. wieder wettbewerbsfähig zu machen."

Wir sind überrascht. Plädieren Sie jetzt dafür, dass die deutschen Löhne um 31 Prozent steigen sollen? Eben waren Sie noch gegen den Mindestlohn.

h.w.:"Zitieren und plädoyieren ist nicht dasselbe. Wer sich anpasst, Südeuropa oder wir, ist noch offen. Man darf jedenfalls nicht damit anfangen, die Löhne anzuheben. Zunächst müssen die Firmen mehr investieren. Wenn die Betriebe ihre Kapazitäten ausweiten, nimmt die Beschäftigung zu – und dies führt dann nachfrageseitig zu höheren Löhnen."
"was immer die überschüsse erklärt..." äh, ja, offensichtlich höhere wettbewerbsfähigkeit durch zu niedrige löhne in germany?
löhne anheben darf man aber nicht (warum auch immer). denn die unternehmen müssen zunächst mehr investieren. dass ein unternehmen aber immer erst dann mehr investiert, wenn es höhere nachfrage (--> erst also höhere löhne) erwartet, will der werte herr nicht erkennen bzw. zugeben.
und DAS ist des pudels kern, warum wir in europa deflation haben, die eurozone zwangsläufig auseinanderbrechen wird etc.
dahingehend wünsche ich insb. den afd-wählern viel spaß, weil die genau diese denke am extremsten verfolgen. der kontinent wird nicht durch 1 oder 10 millionen flüchtlinge gefickt, sondern durch obiges.
 
"was immer die überschüsse erklärt..." äh, ja, offensichtlich höhere wettbewerbsfähigkeit durch zu niedrige löhne in germany?
Vielleicht sollten wir erst mal genau analysieren, was Leistungsbilanzungleichgewichte überhaupt sind. Ein Leistungsbilanzdefizit bedeutet, dass ein Land wertmäßig mehr Güter importiert als es exportiert. Das wiederum heißt, dass dieses Land seinen Import nicht vollständig durch die Erlöse finanzieren kann, die es durch den Export seiner Waren erzielt. Für die Finanzierung seines Leistungsbilanzdefizits hat es grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

  1. Verzehr von (Auslands-)Vermögen, das in der Vergangenheit durch Leistungsbilanzüberschüsse akkumuliert wurde.
  2. Verschuldung gegenüber dem Ausland.
Als nächstes kann also festgehalten werden, dass auf lange Sicht Leistungsbilanzungleichgewichte nicht sinnvoll sein können. Denn das Land, das ständig ein Defizit in seiner Leistungsbilanz aufweist, würde sich immer stärker verschulden und könnte seine Verbindlichkeiten niemals tilgen, da es niemals Leistungsbilanzüberschüsse erzielt. Für das Land mit dem korrespondierenden Leistungsbilanzüberschuss ist die Situation ebenfalls wenig erfreulich. Denn wenn den Leistungsbilanzüberschüssen niemals Leistungsbilanzdefizite folgen, bedeutet das nichts anderes, als dass es seine Güter und Dienstleistungen an das Ausland verschenkt.

Obige Beschreibung impliziert, dass Leistungsbilanzungleichgewichte mehrere Ursachen haben können. Eine Ursache könnte in der Tat sein - wie du zurecht anführst - dass Deutschland eine hohe Wettbewerbsfähigkeit aufweist. Also, etwas salopp formuliert, tolle Produkte zu attraktiven Preisen anbietet. Es gibt allerdings auch noch eine andere denkbare Ursache: Die Leistungsbilanzüberschüsse könnten auch darauf zurückzuführen sein, dass Deutschland eine zu geringe Wettbewerbsfähigkeit aufweist. Beispielsweise könnten viele Investoren das Lohnniveau in Deutschland als zu hoch empfinden und deshalb lieber Investitionen im Ausland als im Inland tätigen. Dadurch, dass sie ihr Kapital ins Ausland schaffen, ermöglichen sie es dem Ausland, Leistungsbilanzdefizite zu finanzieren, also bei uns "auf Pump" einzukaufen.

Die Einführung des Euros führte zu einer Zinskonvergenz. Das bedeutet, dass Länder wie z. B. Italien, Spanien, Griechenland, Zypern sich zu fast den gleichen Konditionen am Kapitalmarkt verschulden konnten wie Deutschland. Übrigens nicht nur die Staaten, sondern auch die Unternehmen. Die Einführung des Euros hat also maßgeblich dazu beigetragen, dass diese Länder über viele Jahre hinweg Leistungsbilanzdefizite finanzieren konnten. Als Gründe, warum die Investoren diesen Volkswirtschaften ähnliche Konditionen wie Deutschland einräumten, kann genannt werden:

  1. Wegfall des Wechselkursrisikos
  2. Bevorzugung von Staatsanleihen (keine Hinterlegung von Eigenkapital notwendig etc.)
  3. Die Überzeugung, dass die Währungsunion auch eine Haftungsunion ist, also solide Länder einspringen werden, wenn schlecht haushaltende Staaten bankrott gehen (was ja auch eingetreten ist)

Wilma said:
löhne anheben darf man aber nicht (warum auch immer). denn die unternehmen müssen zunächst mehr investieren. dass ein unternehmen aber immer erst dann mehr investiert, wenn es höhere nachfrage (--> erst also höhere löhne) erwartet, will der werte herr nicht erkennen bzw. zugeben.
Also was Sinn in dem Interview sagt, deckt sich durchaus auch mit John Maynard Keynes. Keynes hat niemals befürwortet, selektiv Löhne zu erhöhen, um auf diese Weise Nachfrage zu schaffen. Denn wenn du selektiv die Löhne erhöhst, kommt es zu Entlassungen. Es gilt die Regel: Grenzlohnkosten = Grenzwertproduktivität

Dass höhere Löhne zu mehr Investitionen in Deutschland führen würden, halte ich eh für recht unwahrscheinlich. Denn erstens würde dies den Investitionsstandort Deutschland unattraktiver machen. Viele Investoren würden ihr Kapital an das Ausland verleihen, mit dem dieses wiederum bei uns einkaufen kann (Leistungsbilanzdefizite finanzieren kann). Zum zweiten würden selektiv erhöhte Löhne die Investitionsgüternachfrage senken (das ist der "Kapitalhaufen", von dem Sinn in dem Interview spricht). Denn die Sparquote von Menschen mit geringem Einkommen ist geringer als die von Personen mit hohem Einkommen.
 
Last edited:
Vielleicht sollten wir erst mal genau analysieren, was Leistungsbilanzungleichgewichte überhaupt sind. Ein Leistungsbilanzdefizit bedeutet, dass ein Land wertmäßig mehr Güter importiert als es exportiert. Das wiederum heißt, dass dieses Land seinen Import nicht vollständig durch die Erlöse finanzieren kann, die es durch den Export seiner Waren erzielt. Für die Finanzierung seines Leistungsbilanzdefizits hat es grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

  1. Verzehr von (Auslands-)Vermögen, das in der Vergangenheit durch Leistungsbilanzüberschüsse akkumuliert wurde.
  2. Verschuldung gegenüber dem Ausland.
Als nächstes kann also festgehalten werden, dass auf lange Sicht Leistungsbilanzungleichgewichte nicht sinnvoll sein können. Denn das Land, das ständig ein Defizit in seiner Leistungsbilanz aufweist, würde sich immer stärker verschulden und könnte seine Verbindlichkeiten niemals tilgen, da es niemals Leistungsbilanzüberschüsse erzielt. Für das Land mit dem korrespondierenden Leistungsbilanzüberschuss ist die Situation ebenfalls wenig erfreulich. Denn wenn den Leistungsbilanzüberschüssen niemals Leistungsbilanzdefizite folgen, bedeutet das nichts anderes, als dass es seine Güter und Dienstleistungen an das Ausland verschenkt.
so isett.
Obige Beschreibung impliziert, dass Leistungsbilanzungleichgewichte mehrere Ursachen haben können. Eine Ursache könnte in der Tat sein - wie du zurecht anführst - dass Deutschland eine hohe Wettbewerbsfähigkeit aufweist. Also, etwas salopp formuliert, tolle Produkte zu attraktiven Preisen anbietet. Es gibt allerdings auch noch eine andere denkbare Ursache: Die Leistungsbilanzüberschüsse könnten auch darauf zurückzuführen sein, dass Deutschland eine zu geringe Wettbewerbsfähigkeit aufweist. Beispielsweise könnten viele Investoren das Lohnniveau in Deutschland als zu hoch empfinden und deshalb lieber Investitionen im Ausland als im Inland tätigen. Dadurch, dass sie ihr Kapital ins Ausland schaffen, ermöglichen sie es dem Ausland, Leistungsbilanzdefizite zu finanzieren, also bei uns "auf Pump" einzukaufen.
deine ursache habe ich so auch bei prof. sinn gelesen.
(zerplfückung dieser in ausführlich insb.
hier in einfach: http://www.flassbeck-economics.de/w...ten-die-eurokrise-nicht-erklaert-werden-kann/
und hier in anspruchsvoller: http://www.flassbeck-economics.de/professor-seltsam-oder-wie-ich-lernte-die-krise-zu-lieben/ )
damit ich das richtig verstehe: der deutsche überschuss von jährlich regelmäßig ca. 250 milliarden (ca. 6% des bip, also nur der überschuss!) kommt dadurch zustande, dass wir nicht wettbewerbsfähig genug sind??? wir sollten also die löhne nicht nur anheben, damit import und binnennachfrage wachsen, sondern damit der absatz ins ausland mehr angekurbelt wird???
des weiteren erscheint mir die nummer mit den investoren eher schräg. gerdae die von dir weiter unten beschriebene zinskonvergenz bei der einen währung namens € führte doch auch dazu, dass investoren/konsumenten überhaupt erst in kombo mit den reallohnsenkungen (=kosten runter) in die lage versetzt wurden, hierzulande einzukaufen. klassisches investieren bedeutet aber doch gerade, kapital in die hand zu nehmen, um etwas mit mehrwert zu produzieren. -> wachstum.
Die Einführung des Euros führte zu einer Zinskonvergenz. Das bedeutet, dass Länder wie z. B. Italien, Spanien, Griechenland, Zypern sich zu fast den gleichen Konditionen am Kapitalmarkt verschulden konnten wie Deutschland. Übrigens nicht nur die Staaten, sondern auch die Unternehmen. Die Einführung des Euros hat also maßgeblich dazu beigetragen, dass diese Länder über viele Jahre hinweg Leistungsbilanzdefizite finanzieren konnten. Als Gründe, warum die Investoren diesen Volkswirtschaften ähnliche Konditionen wie Deutschland einräumten, kann genannt werden:

  1. Wegfall des Wechselkursrisikos
  2. Bevorzugung von Staatsanleihen (keine Hinterlegung von Eigenkapital notwendig etc.)
  3. Die Überzeugung, dass die Währungsunion auch eine Haftungsunion ist, also solide Länder einspringen werden, wenn schlecht haushaltende Staaten bankrott gehen (was ja auch eingetreten ist)
einverstanden.

Also was Sinn in dem Interview sagt, deckt sich durchaus auch mit John Maynard Keynes. Keynes hat niemals befürwortet, selektiv Löhne zu erhöhen, um auf diese Weise Nachfrage zu schaffen. Denn wenn du selektiv die Löhne erhöhst, kommt es zu Entlassungen. Es gilt die Regel: Grenzlohnkosten = Grenzwertproduktivität
nein. zunächst einmal sollten die löhne nicht selektiv, sondern nahezu überall erhöht werden, tendenziell eher bei den niedrigen als bei den hohen einkommen. und zwar immer mind. in höhe der produktivitätssteigerung + inflation, um den zu niedrigen lohnsteigerungen der letzten jahre entgegen zu wirken.
dein neoklassischer ansatz zieht wenn überhaupt nur mikroökonomisch. der berücksichtigt bspw. keine nachfrage und impliziert, dass kapital nur begrenzt zur verfügung stünde.

Dass höhere Löhne zu mehr Investitionen in Deutschland führen würden, halte ich eh für recht unwahrscheinlich. Denn erstens würde dies den Investitionsstandort Deutschland unattraktiver machen. Viele Investoren würden ihr Kapital an das Ausland verleihen, mit dem dieses wiederum bei uns einkaufen kann (Leistungsbilanzdefizite finanzieren kann). Zum zweiten würden selektiv erhöhte Löhne die Investitionsgüternachfrage senken (das ist der "Kapitalhaufen", von dem Sinn in dem Interview spricht). Denn die Sparquote von Menschen mit geringem Einkommen ist geringer als die von Personen mit hohem Einkommen.
erst kommt die nachfrage (zb durch höhere löhne), dann die investition (die investition muss sich schließlich rechnen). letztere muss übrigens nicht von einem vorhandenen kapitalhaufen genommen werden. in einer gesunden volkswirtschaft machen unternehmen für investitionen schulden und haben keine gigantischen kapitalhaufen "auf halde" bzw. deren aktionäre.
und was die nummer mit niedrigen vs. hohen einkommen in anspielung aufs sparparadoxon angeht: wassen des für ne argumentation? die leude sollen lieber weniger geld weiterhin bekommen damit sie nicht soviel sparen können? rein ökonomisch argumentiert: die haben dann aber immer noch ne niedrigere sparquote als großverdiener. und irgendeiner bekommt schließlich immer die stücke vom größer werdenden kuchen.
 
so isett.
Sehr gut, immerhin mal ein Punkt, bei dem wir einer Meinung sind :D

Wilma said:
damit ich das richtig verstehe: der deutsche überschuss von jährlich regelmäßig ca. 250 milliarden (ca. 6% des bip, also nur der überschuss!) kommt dadurch zustande, dass wir nicht wettbewerbsfähig genug sind???
Worum es mir ging, war, darauf hinzuweisen, dass Leistungsbilanzüberschüsse mehr als nur eine Ursache haben können. Du hattest Folgendes geschrieben:

Wilma said:
"was immer die überschüsse erklärt..." äh, ja, offensichtlich höhere wettbewerbsfähigkeit durch zu niedrige löhne in germany?
Und so einfach, wie du die Zusammenhänge hier dargestellt hast, sind sie nun mal nicht. Denn ein Land kann einen Leistungsbilanzüberschuss haben, weil es sehr wettbewerbsfähig ist, es kann aber auch deswegen einen Leistungsbilanzüberschuss haben, weil es nicht wettbewerbsfähig ist bzw. für Investoren als Standort nicht attraktiv genug ist.

Um mal den Sachverständigenrat zu zitieren (SVR, S. 107):

SVR said:
Die Beurteilung von Leistungsbilanzsalden hängt nicht davon ab, welches Vorzeichen sie aufweisen. In einem intertemporalen Kalkül kann sowohl ein Leistungsbilanzüberschuss als auch ein Leistungsbilanzdefizit von Vorteil für eine Volkswirtschaft sein. Das Vorzeichen gibt auch nicht notwendigerweise Auskunft über die Wettbewerbsfähigkeit eines Lands. Eine Volkswirtschaft, die Kapitalflüsse anzieht und damit durch einen Kapitalbilanzüberschuss und ein Leistungsbilanzdefizit gekennzeichnet ist, kann als Standort sehr wettbewerbsfähig sein und hohe Potenzialwachstumsraten aufweisen. Im Gegensatz dazu kann eine Volkswirtschaft, die zwar Leistungsbilanzüberschüsse vorweist, über einen Standort verfügen, der unattraktiv für Investitionen ist, und unter niedrigen Wachstumsraten leiden.

Ansonsten, zur Lohnthematik: Keynes hat niemals vorgeschlagen, flächendeckend die Löhne zu erhöhen, um dadurch Nachfrage zu schaffen.
 
Sehr gut, immerhin mal ein Punkt, bei dem wir einer Meinung sind :D


Worum es mir ging, war, darauf hinzuweisen, dass Leistungsbilanzüberschüsse mehr als nur eine Ursache haben können. Du hattest Folgendes geschrieben:


Und so einfach, wie du die Zusammenhänge hier dargestellt hast, sind sie nun mal nicht. Denn ein Land kann einen Leistungsbilanzüberschuss haben, weil es sehr wettbewerbsfähig ist, es kann aber auch deswegen einen Leistungsbilanzüberschuss haben, weil es nicht wettbewerbsfähig ist bzw. für Investoren als Standort nicht attraktiv genug ist.

Um mal den Sachverständigenrat zu zitieren (SVR, S. 107):
äh, wie meinen?
da steht doch nix anderes als dass, worin wir uns schon einig waren: im süden gab es wachstum/konsum auf pump, weil die durch den € billig an geld kamen.
intertemporal=zeitweise=zwischen einer nicht näher spezifizierten anzahl an perioden. korrekt. germany müsste jetzt gerade bspw. ordentliche defizite fahren.

der hase liegt imho noch eine seite weiter im pfeffer:
Länder unterscheiden sich hinsichtlich des gewünschten Konsumpfads. Die Ursachen dafür können vielfältig sein und umfassen neben bloßen Präferenzunterschieden den demografi-
schen Wandel sowie ganz allgemein die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Regierung eines Lands (Cooper, 2008). Deutschland etwa weist eine Bevölkerungsentwicklung auf, die
zu einem steigenden Anteil älterer Menschen führen wird. Die zunehmende private Altersver-sorgung erhöht damit die Tendenz, Leistungsbilanzüberschüsse aufzuweisen, die in späteren
Jahren zurückgeführt werden.
− Die Kapitalausstattung differiert international erheblich, was sich in Ländern mit relativer Kapi-talarmut in entsprechend hohen Renditen widerspiegelt. Wenn Kapital international mobil ist
– wie etwa in einer Währungsunion – sollten deshalb Teile der Ersparnisse von relativ kapital-reichen Ländern in die Länder mit hohen Renditen fließen. Dies ist dann zwangsläufig mit
Leistungsbilanzungleichgewichten verbunden (Blanchard und Giavazzi, 2002).
übersetzt: private altersversorge sucht verzweifelt nach anlagemöglichkeiten. schland leiht den ländern geld, damit diese sich produkte aus germany kaufen können, weil diese eben billiger sind als im inland oder anderswo, stichwort höhre wettbewerbsfähigkeit. der wirtschaftskreislauf ist somit perfekt. -> passt wunderbar als ergänzung zu meinen bisherigen aussagen.
über private altersvorsorge, demografie bla haben wir uns ja auch schon öfters unterhalten. obiges ist ein weiteres wunderbares bsp., warum kapitalgedeckte altersvorsorge mit größter vorsicht zu genießen ist.

Ansonsten, zur Lohnthematik: Keynes hat niemals vorgeschlagen, flächendeckend die Löhne zu erhöhen, um dadurch Nachfrage zu schaffen.
habe ich das behauptet?
davon abgesehen dachte ich, dass du mehr auf meine ausführungen bzgl. lohnerhöhungen eingehen könntest.
 
äh, wie meinen?
da steht doch nix anderes als dass, worin wir uns schon einig waren: im süden gab es wachstum/konsum auf pump, weil die durch den € billig an geld kamen.
intertemporal=zeitweise=zwischen einer nicht näher spezifizierten anzahl an perioden. korrekt. germany müsste jetzt gerade bspw. ordentliche defizite fahren.
Du hast behauptet, dass die Überschüsse Deutschlands nur darauf zurückgeführt werden könnten, dass Deutschland sehr wettbewerbsfähig sei, indem du geschrieben hast:

Wima said:
was immer die überschüsse erklärt..." äh, ja, offensichtlich höhere wettbewerbsfähigkeit durch zu niedrige löhne in germany?
Ich habe darauf hingewiesen, dass es auch noch andere Erklärungen dafür geben kann, dass Deutschland hohe Leistungsbilanzüberschüsse hat, als das von dir vorgebrachte Argument, dass Deutschland angeblich sehr wettbewerbsfähig sei. Eine Ursache für einen Leistungsbilanzüberschuss kann nämlich auch das genaue Gegenteil sein, nämlich, dass Deutschland nicht wettbewerbsfähig ist. Und genau das schreibt auch der Sachverständigenrat in dem Zitat, das ich angeführt habe. Hast du diese Textpassage absichtlich überlesen? Dabei handelt es sich übrigens um Lehrbuchwissen. Hier nochmal das gleiche Zitat von oben, die entsprechende Stelle diesmal fett markiert und in rot:

SVR said:
Die Beurteilung von Leistungsbilanzsalden hängt nicht davon ab, welches Vorzeichen sie aufweisen. In einem intertemporalen Kalkül kann sowohl ein Leistungsbilanzüberschuss als auch ein Leistungsbilanzdefizit von Vorteil für eine Volkswirtschaft sein. Das Vorzeichen gibt auch nicht notwendigerweise Auskunft über die Wettbewerbsfähigkeit eines Lands. Eine Volkswirtschaft, die Kapitalflüsse anzieht und damit durch einen Kapitalbilanzüberschuss und ein Leistungsbilanzdefizit gekennzeichnet ist, kann als Standort sehr wettbewerbsfähig sein und hohe Potenzialwachstumsraten aufweisen. Im Gegensatz dazu kann eine Volkswirtschaft, die zwar Leistungsbilanzüberschüsse vorweist, über einen Standort verfügen, der unattraktiv für Investitionen ist, und unter niedrigen Wachstumsraten leiden.

Wilma said:
übersetzt: private altersversorge sucht verzweifelt nach anlagemöglichkeiten. schland leiht den ländern geld, damit diese sich produkte aus germany kaufen können, weil diese eben billiger sind als im inland oder anderswo, stichwort höhre wettbewerbsfähigkeit. der wirtschaftskreislauf ist somit perfekt. -> passt wunderbar als ergänzung zu meinen bisherigen aussagen.
über private altersvorsorge, demografie bla haben wir uns ja auch schon öfters unterhalten. obiges ist ein weiteres wunderbares bsp., warum kapitalgedeckte altersvorsorge mit größter vorsicht zu genießen ist.
Wenn Deutschland so wahnsinnig billig wäre, wie du behauptest, dann würden die deutschen Ersparnisse nicht im Ausland angelegt (also dem Ausland geliehen, damit es bei uns einkaufen kann, wodurch Leistungsbilanzüberschüsse entstehen), sondern die deutschen Ersparnisse würden in Deutschland angelegt. Niedrigere Löhne = Deutschland wird als Investitionsstandort attraktiver = die inländische Ersparnis wird für Investitionen im Inland verwendet = Leistungsbilanzüberschuss geht zurück / verschwindet / dreht sich in ein Leistungsbilanzdefizit um, weil ausländische Investoren angezogen werden.

Wilma said:
habe ich das behauptet?
davon abgesehen dachte ich, dass du mehr auf meine ausführungen bzgl. lohnerhöhungen eingehen könntest.
Ich kann darauf nicht näher eingehen, weil ich keinen ernstzunehmenden Ökonomen kenne, der Behauptungen wie du aufstellt. Nichtmal Flassbeck, den du hier schon ein paar mal zitiert hast, tut dies. Zumindest steht es so auf Wikipedia:

Wikipedia said:
Heiner Flassbeck und Friederike Spieker halten „die Kaufkrafttheorie genauso fragwürdig wie ihr Gegenteil, die Gewinntheorie der Löhne“.[3] Die beiden Wissenschaftler beziehen sich dabei auf die Kaufkrafttheorie, nach der die Reallöhne stärker als die Produktivität steigen sollen. Die Symmetrie der ökonomischen Logik aber weist darauf hin, dass Lohnsteigerungen oberhalb der Produktivität auf Dauer so wenig die Kaufkraft erhöhen, wie Lohnsteigerungen unterhalb der Produktivität dauerhaft die Gewinne steigen lassen.
 
Last edited:
Eine interessante neue Studie der Deutschen Bundesbank ist folgender Frage nachgegangen:

Deutsche Bundesbank said:
Führen niedrigere deutsche Löhne zu Leistungsbilanzungleichgewichten im Euro-Raum?

Ergebnisse:

Deutsche Bundesbank said:
Unsere Analyse zeigt: Wenn die Verhandlungsmacht der deutschen Arbeitnehmer unerwartet sinkt, hat das sehr unterschiedliche Effekte auf die Leistungsbilanzen in Europa. Abbildung 2 illustriert diese Entwicklung: Wie erwartet verbessert sich die deutsche Leistungsbilanz. In Griechenland und in den Niederlanden dagegen sinken die Leistungsbilanzsalden, während es positive Wirkungen in Spanien, Finnland und Frankreich gibt. Die Leistungsbilanzen in Österreich, Italien und Portugal reagieren kaum.

Deutsche Bundesbank said:
Die Verhandlungsmacht der deutschen Arbeitnehmer bei Tarifgesprächen wirkt also recht unterschiedlich auf die Leistungsbilanzen in anderen Euro-Ländern. Aber wie gewichtig ist dieser Effekt?

Deutsche Bundesbank said:
Abbildung 3 zeigt Leistungsbilanzsalden im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt für die ursprünglichen Daten (rot) sowie die kontrafaktischen Situation (grün). Der Vergleich ergibt, dass die Verhandlungsposition deutscher Arbeitnehmer keine große Rolle für die Ungleichgewichte in Europa spielt (vgl. auch Gadatsch et al. (2015))
 
Nur mal verständnishalber worüber hier diskutiert wird:
Ist der Vorschlag
a) den Mindestlohn in D zu erhöhen, um die deutschen Überschüsse auf jeden Fall abzubauen/zu verringern, ohne Rücksicht auf die Auswirkungen für D, sprich Priorität hat ein Europa- bzw. weltweiter Ausgleich der Leistungsbilanzen

oder wird hier vorgeschlagen
b) den Mindestlohn in D zu erhöhen, um die deutschen Überschüsse auch an das deutsche Volk zu verteilen ?

oder c) was anderes?

Weder a noch b ergibt für mich Sinn, was soll eigentlich das Ziel sein? Ich bestreite sicherlich nicht, dass ein höherer Mindestlohn auch Auswirkungen auf die Leistungsbilanz hat, aber er ist nicht dazu geeignet diesen (dauerhaft) zu steuern und dafür ist er auch gar nicht gedacht, der Sinn des Mindestlohns ist eigentlich ein sozialer Einkommensausgleich innerhalb einer Volkswirtschaft.
 
Hallo ahits !!

Welcome Back !!

Der Finanz Dax Müller des Forums.:)
 
was soll eigentlich das Ziel sein?
Das frage ich mich bei Wilma schon lange. Meine Vermutung: Sozialismus und Planwirtschaft einführen.

ahits said:
der Sinn des Mindestlohns ist eigentlich ein sozialer Einkommensausgleich innerhalb einer Volkswirtschaft.
Das Ziel finde ich gut. Ich denke allerdings, dass es bessere Mittel als den Mindestlohn gibt, um dieses Ziel zu erreichen. Der Mindestlohn hat zu viele schädliche Nebenwirkungen.
 
planwirtschaft gibts doch überall, jedes unternehmen plant jeden scheiß bis aufs letzte durch und nennt das dann > logistik
 
Last edited:
Der Begriff Zentralverwaltungswirtschaft ist eventuell einleuchtender als Planwirtschaft, man könnte auch von "Befehlswirtschaft" sprechen. In Lehrbüchern der VWL (z. B. Willy Frank, 2009) findest du häufig die folgende Klassifikation von idealtypischen Wirtschaftssystemen, wobei praktisch eigentlich nur die zwei fett hervorgehobenen Quadranten eine nennenswerte Rolle spielen. Bei einer zentralen Planung erfolgt die Zuteilung der Ressourcen alleine durch den Staat. Bei der dezentralen Planung erfolgt die Koordination über Märkte.

Idealtypische Wirtschaftssysteme.png

Die Frage, warum es überhaupt Unternehmen gibt, und nicht alle Aktivitäten einer Volkswirtschaft über Märkte koordiniert werden, ist übrigens sehr spannend. Eine Theorie, mit der die Existenz von Unternehmen erklärt werden kann, ist die Transaktionskostentheorie. Diese geht vor allem auf Ronald Coase und seinen berühmten Aufsatz "The Nature of the Firm" zurück. Warum eine Marktwirtschaft einer Befehlswirtschaft überlegen ist, kann in dem sehr bekannten Aufsatz "The Use of Knowledge in Society" des Ökonomen Friedrich August von Hayek nachgelesen werden - ein sehr grundlegender und empfehlenswerter Text.
 
upsala. der thread ist mir seinerzeit durch die lappen gegangen.
Wenn Deutschland so wahnsinnig billig wäre, wie du behauptest, dann würden die deutschen Ersparnisse nicht im Ausland angelegt (also dem Ausland geliehen, damit es bei uns einkaufen kann, wodurch Leistungsbilanzüberschüsse entstehen), sondern die deutschen Ersparnisse würden in Deutschland angelegt. Niedrigere Löhne = Deutschland wird als Investitionsstandort attraktiver = die inländische Ersparnis wird für Investitionen im Inland verwendet = Leistungsbilanzüberschuss geht zurück / verschwindet / dreht sich in ein Leistungsbilanzdefizit um, weil ausländische Investoren angezogen werden.
du denkst wieder zu mikroökonomisch.
nicht deutschland ansich, sondern deutschlands (mit ausländischen in konkurrenz stehenden!) produkte und dienstleistungen sind zu billig. deswegen exportüberschuss, zu erheblichem teil auf pump. mit dem pump wird nicht investiert, sondern besagte produkte konsumiert. wenn also die konsumgüter weg sind, stehen demgegenüber aber noch die pumpschulden. und um die loszuwerden bzw. abzubauen, müsste das ausland ggü. uns exportüberschüsse einfahren. woraus der pump aka kredite eigentlich besteht bzw. wo er konkret reingeflossen ist, wer die schuldner und wer die gläubiger sind - da gibts diverse möglichkeiten. man darf ja jetzt nicht in einfachen wertschöpfungsketten denken. dazwischen sitzen auch noch ein paar banken und diverse steuereinnahmen womit auch direkt/indirekt öffentliche haushalte beteiligt sind etc.
hypothetisches aber wahrscheinliche bsp. aus der hüfte: spanien hatte u.a. immobilienkrise. d.h. die buden waren überbewertet aka die leude haben zu hohe kredite bei zu niedrigen zinsen aufnehmen können. ein teil der kohle wurde im u.s.a.-subprime-style für den kauf von deutschen autos benutzt (anekdote: 2006 habe ich mein motorrad an einen spanien-exporteur verkauft. war für uns beide ein gutes geschäft.). andererseits haben deutsche anlagefonds auch in immobilien investiert. deutsche firmen, maschinen, architekten und arbeiter waren am bau beteiligt (noch ne anekdote: mein arbeitgeber hat bis zur eurokrise mit deutschen arbeitern in spanien gutes geld verdient).

[/QUOTE]
Ich kann darauf nicht näher eingehen, weil ich keinen ernstzunehmenden Ökonomen kenne, der Behauptungen wie du aufstellt. Nichtmal Flassbeck, den du hier schon ein paar mal zitiert hast, tut dies. Zumindest steht es so auf Wikipedia:[/QUOTE]
bis gerade habe ich noch nie was von der kaufkrafttheorie gelesen, glaube ich.

Eine interessante neue Studie der Deutschen Bundesbank ist folgender Frage nachgegangen:

Ergebnisse:
Haftungsausschluss
Die hier geäußerten Ansichten spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Deutschen Bundesbank oder des Eurosystems
wider.
;)
im ernst:
zu abb. 2 und zugehörigen erläuterungen: wtf?
...in diesem „Global Vector
Auto Regressive Model“ (GVAR) analysieren wir für neun Län-
der eine Stichprobe mit Daten aus dem Zeitraum vom dritten
Quartal 1992 bis zum zweiten Quartal 2007. ...
...Auf diese Weise können wir untersuchen, wie eine unerwar
-
tete Schwächung der Verhandlungsposition der Arbeitneh-
mer in einem bestimmten Land die Binnenwirtschaft sowie
das Ausland beeinflusst....
zeitraum 92-07=15 jahre. dann schauen wir auf die abb., lesen die überschrift und betrachten die achsen. die x-achse hat einen zeitraum (oder was soll das sein?) von 40 jahren. die autoren haben u.a. das große wunder vollbracht, einen schockmoment (keinen empirisch belegten?) zu nehmen und dessen auswirkungen 40 jahre in die zukunft zu prognostizieren. interessanter weise hat dieser ceteris paribus (weglassen von anderen effekten) am ende keine auswirkungen mehr. da fragt man sich als erstes, warum die herrschaften nicht auf empirie zurückgegriffen haben. diagramme zu auseinander laufenden lohnstückkosten haben die bundesbank, das stat. bundesamt, prof. sinn verwendet diese usw. usf.
und warum haben sie diese eigentlich nicht mit den jeweiligen BIPs und den leistungsbilanzsalden zusammen dargestellt, welche es auch frei haus bei eben genannten institutionen gibt?
ganz einfach: weil man dann sehen würde, dass es eine korrelation zwischen den jeweiligen 3 kurven der betrachteten länder gibt.

die nächste abb. ist noch schräger.
Um diese Frage zu beantworten, vergleichen wir unsere Er-
gebnisse mit einer fiktiven Konstellation, bei der sich im Mo-
dell die deutsche Verhandlungsstärke im gleichen Zeitraum
nicht unerwartet ändert. Eine solche Analyse wird auch als
kontrafaktisch bezeichnet.
gleicher zeitraum wie abb. 2? ahso. dann muss ich wohl 0-40 nur irgendwie auf 15 jahre mappen^^
von dem darstellungsfehler, dass 92 nicht korrekter startpunkt der x-achse ist mal abgesehen, habe ich immerhin ein neues wort für pure spekulation gelernt: kontrafaktisch.


Nur mal verständnishalber worüber hier diskutiert wird:
Ist der Vorschlag
a) den Mindestlohn in D zu erhöhen, um die deutschen Überschüsse auf jeden Fall abzubauen/zu verringern, ohne Rücksicht auf die Auswirkungen für D, sprich Priorität hat ein Europa- bzw. weltweiter Ausgleich der Leistungsbilanzen

oder wird hier vorgeschlagen
b) den Mindestlohn in D zu erhöhen, um die deutschen Überschüsse auch an das deutsche Volk zu verteilen ?

oder c) was anderes?

Weder a noch b ergibt für mich Sinn, was soll eigentlich das Ziel sein? Ich bestreite sicherlich nicht, dass ein höherer Mindestlohn auch Auswirkungen auf die Leistungsbilanz hat, aber er ist nicht dazu geeignet diesen (dauerhaft) zu steuern und dafür ist er auch gar nicht gedacht, der Sinn des Mindestlohns ist eigentlich ein sozialer Einkommensausgleich innerhalb einer Volkswirtschaft.
der mindestlohn ist nur ne kleine stellschraube für die geschichte mit den exportüberschüssen. exportierende unternehmen selbst beschäftigen seltenst betroffene. ggf. hat das für sie noch auswirkungen bei reinigungskräften o.ä.
betroffen ist vielmehr die binnenachfrage und ggf. import.
tatsächlich muss es wie glaube ich schon mal gesagt eher darum gehen, alle löhne von jahr zu jahr kräftiger steigen zu lassen. um exportüberschüsse zu verringern, muss man übrigens nicht unbedingt den export in absoluten zahlen schwächen, sondern man kann auch "nur" den import steigern. aber auch dafür brauchts mehr kohle bei den konsumenten.

Das frage ich mich bei Wilma schon lange. Meine Vermutung: Sozialismus und Planwirtschaft einführen.
hatten wir in den 60ern sozialismus und planwirtschaft?

Das Ziel finde ich gut. Ich denke allerdings, dass es bessere Mittel als den Mindestlohn gibt, um dieses Ziel zu erreichen. Der Mindestlohn hat zu viele schädliche Nebenwirkungen.
bisher konntest du noch keine empirisch belegen.
 
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