“Njo und dann war ich eben noch beim Chicken-Mann gewesen.”, verkündet das blondierte Mädchen (ja, sie trägt kein e in ihrer gegenderten Bezeichnung. Das hat ästhetische Gründe und ist dem guten Geschmack des Autors zu zu schreiben) vor mir in der Kauflandschlange. Ohne Vorurteile schüren zu wollen, kommt sie wohl aus einer, wie man wohl korrekterweise sagt, bildungsferneren Schicht. Dies ist zumindest aus ihrem Gebären, Auftreten und – herrgottja (Manchmal bin ich oberflächlich) – ihrem etwas prostitutionsaffinem Äußeren zu interpolieren, wenn man so ein schlechter Mensch ist, wie ich es einer bin.
Nun, warum gebe ich mir die Blöße über diese junge Dame so her zu ziehen? Es liegt nicht daran, dass sie sich äußerst ungesund bei der Geflügelfrittierfranchisekette “Favourite” den Magen voll schlug. Das ist quasi Pflicht und dagegen kann ich nicht wettern, allein schon weil der Chickenmann in mitten dessen liegt, was euphemistische Zungen salomonisch das Siegener Nachtleben nennen. Nach einem gepflegten Umtrunk, während einer Nacht, die durchtanzt werden will, gibt es kaum was besseres als die schnelle, unkomplizierte Nahrungsaufnahme beim Chickenmann in Siegen. Ein Rappa. Ein “Fillet of Fire” oder eins der 11 “Top-Ten-Produckte”. Ich schweife ab. Was die junge Dame – in meinen bescheidenen Augen – falsch macht, ist ganz einfach die zweifelhafte Verwendung eines rar gewordenen Phänomens unserer wunderhübschen Sprache. Das Plusquamperfekt. Zeit der Ahnen, Vorvergangenheit, Großvater des Perfekts, Uropa der Gegenwart. Du warst nicht eben. Du warst vor Monaten. Eventuell vor Wochen, aber nicht vor 20 Minuten und schon gar nicht ohne Referenz im Perfekt. Ich frage mich also – wieder mal nicht zu unrecht, wie ich mir einrede - warum man diese Form so zwanghaft und neuerdings (So neu ist das Ganze nicht, aber ich blogge ja gerade erst drüber!) exzessiv auslutscht.
Gab es ein wichtiges Ereignis, welches ich verpasste, bevor das Plusquamperfekt wieder in geworden war. Selbst das funktioniert nicht und klingt äußerst falsch. Bevor ich geboren worden war, gab es dieses schreckliche Unglück in Tschernobyl. Das funktioniert (und erklärt eventuell das ein oder andere). Zurück also zur Frage? Einfach weil es so schmandig dahingeklatscht klingt? Eventuell täuscht man so auch etwas hochtrabendes vor. Hochdeutsch zum Beispiel, diese mysteriöse Kunst der alten Meister, von der manchmal hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird. Eins ist sicher: Die große inzestuöse, aber debilglücklich grinsende Familie der Sprachvergewaltigungen hat sich wieder mal Nachwuchs gegönnt.
Quelle:
http://www.polaroidmedchen.de/2009/10/24/wie-die-zeit-vergeht/