Nichts aufzubürden ist natürlich kein sinnvolles Vorgehen - solange es einen Markt gibt, muss an diesem auch die Balance aus Kosten und Nutzen konsistent sein. Risiken auszukoppeln während Gewinne verbleiben lässt dem Missbrauch einfach Tür und Tor offen.
Das Problem ist, manche Risiken können gar nicht den Unternehmen wieder aufgebürdet werden, weil ihre Ausmaße die Fähigkeiten eines jeden Unternehmens schlicht übersteigen. Alle größeren Versorgungskonzepte sind unter diesem Gesichtspunkt für Unternehmen nicht tragbar (außer durch eine Monopolstellung, goodbye Marktregulierung), weshalb eine konsistente, umfassende Energieversorgung, wie sie unsere Zivilisation nun mal schlicht braucht, per Konstruktion der Situation nur durch staatliche (oder staatsähnliche) Kontrolle möglich sind.
Es geht mir nicht darum, die Unternehmen zu bedrohen, mit dem Hinweis "wenn das und das passiert, dann müsst ihr dafür gerade stehen", sondern ich möchte, dass sich dieses Risiko fortwährend in ihren Kostentrukturen wiederspiegelt. Sozusagen aus einer versicherungstechnischen Sicht. Das gilt es dann für alle anderen Technologien natürlich auch so zu handhaben und auf die Art und Weise kann auch der Markt funktionieren. So können wir den optimalen Energiemix finden. Das schafft Transparenz und realistischere Preise. Wenn ein Atomkraftwerk dadurch nicht mehr rentabel ist, ist das halt so. Wenn sich dabei ein Monopol herauskristalisieren sollte, haben wir es mit einem natürlichen Monopol zu tun und solche können durchaus sinnvoll sein.
Versorgungssicherheit muss natürlich gewährleistet sein. Dementsprechend muss der Markt auch reguliert werden - aber eben bitte nicht mit sozialistischen Methoden, wie wir sie in Form von Subventionierungen nun schon mehrfach hier besprochen haben. Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer und das ist auch nicht seine Aufgabe. Und dass er das nicht ist, hat er schon bei vielen Gelegenheiten bewiesen, nicht zuletzt während der Finanzkrise, die du selber angeführt hast. Er hat die Rahmenbedingungen zu setzen, wozu ich jetzt auch mal eine breit aufgestellte und ideologieunabhängige Förderung bei Forschung und Entwicklung zähle.
Golan said:
Die Banker selbst, jeder einzelne eigentlich, sind doch ebenfalls "Rahmenbedingungen". Dass das System "eben so ist" ist, mit Verlaub, eine beschissene Ausrede, wenn wir das System selbst schaffen und aufrecht erhalten. Nur weil das Risiko nicht in Dollars, Euros oder ähnlichem festgeschrieben ist, ist es trotzdem vorhanden und die Schäden sehr wohl schmerzlich, dies zu missachten ist einfach schlicht asozial und gewissenlos. Was genau das ist, was Köhler angeprangert hat, btw.
Trifft mich keine Verantwortung, wenn es "mein Job" ist, ein AKW so auszureizen, dass es im Zweifelsfall halt Ex geht und halb Japan mitnimmt? Und ich das dann auch noch ohne Murren und Bedenken mache?
Wenn falsche Anreize gesetzt werden, darf man sich auch nicht wundern, wenn falsche und unerwünschte Resultate dabei rauskommen.
Golan said:
Das Endrisiko in dieser Größenordnung wird immer von den Staaten zu tragen sein, da sie ohne gewisse Elemente schlicht nicht weiter existieren können. Das Einzelrisiko war offensichtlich sehr wohl nicht von den Staaten getragen, sonst gäbe es heute noch Lehman.
Wie bereits im ersten Absatz ausgeführt, geht es mir nicht darum, abschreckend auf die Unternehmen einzuwirken, indem ich ihnen mögliche Konsequenzen für sie selbst vor Augen führe, sondern ich möchte externe Kosten internalisieren (s. Absatz 1). Nichtsdestotrotz ist es einfach eine völlig verquerte Sicht, die du hier offenbarst, Unternehmen würden sich einen Scheissdreck um ihre Existenz bemühen. Existenzsicherung ist eines der obersten Unternehmensziele überhaupt. Die Gründe, warum es dennoch zu einer Finanzkrise kommen konnte, sind vielfältig. Einer ist eben, dass für viele überhaupt kein "Einzelrisiko" (um jetzt mal in deiner Terminologie zu verbleiben) bestand. Der Gradmesser dieses Nichtrisikos ist sozusagen die Systemrelevanz.
Golan said:
Du gibst doch selbst zu, dass Posten in unüberschaubaren Größenordnungen nicht bestimmbar sind, siehe globale Erwärmung. Der "vernünftige Weg" ist nicht in irgend welchen kleinen Variationen nicht umsetzbar, sondern eben in den sehr entscheidenden Größenordnungen der nationalen und supernationalen Ebene. Das darunterliegende ist bereits umgesetzt und hat bekanntlich nicht so viel gebracht, da die entscheidenden Probleme eben die größeren sind.
Diese externen Effekte korrekt herauszuarbeiten, ist eine große Aufgabe. Viel komplizierter, als in seine Glaskugel (Ideologie) zu schauen, und eine Wette darauf abzuschließen, wohin der technologische Fortschritt uns führen wird und aufgrund dessen Entscheidungen zu treffen. Manche Positionen wird man relativ einfach einpreisen können, bei anderen, sehr weichen Faktoren, wird es sehr schwierig werden. Und da bewegen wir uns dann halt auf der Ebene des politischen Diskurses, wie er in einer Demokratie nun mal üblich ist.
Und ja, es wäre wirklich toll, wenn wir mal anfangen würden, über unseren Tellerrand hinaus zu blicken, Stichwort die zahlreichen neuen Atomkraftwerke, die u.a. um uns herum neu im Entstehen sind. Es gibt kaum ein anderes Land auf der Welt, in dem eine derartige Aversion und Hysterie bzgl. Atomkraft, aber auch gegenüber anderen Technologien, zu beobachten ist. Die Deutschen hatten schon immer einen Hang zum Extremen und auch einen Drang, sich zu isolieren. Früher wollten wir den totalen Krieg, heute den totalen Frieden - scheissegal, ob wir dabei unsere Bündnispartner verschrecken und eventuell ein paar zehntausend Menschen abgeschlachtet werden, weil wir uns der Hilfe verweigern. Freie Märkte sind da vielleicht ein gutes Heilmittel.