Grund zur Sorge
Das ist auch ein Grund zur Sorge. Die Amerikaner haben Bushs Botschaft, wonach sich das Land seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 im Krieg befindet, aufgenommen und ihren selbst ernannten "Kriegspräsidenten" im Amt bestätigt. Sie haben sich damit für eine Politik der Angstmache ausgesprochen, die den Rest der Welt vom Kopf gestoßen hat. Sie haben einen Präsidenten wiedergewählt, der das komplexe Problem des islamistischen Terrorismus ausschließlich mit militärischen Mitteln bekämpfen will, der die Beziehungen zu den Verbündeten schwer belastet und die Vereinigten Staaten zum Feindbild für einen großen Teil der Menschheit gemacht hat. Amerika wird seinen unilateralistischen Kurs fortsetzen und den diffusen, aber so riskanten "Krieg gegen den Terror" möglicherweise in neue Länder tragen. Bush wurde für das offensichtliche Fiasko des Irakkrieges, in das er sein Land mit Unwahrheiten hineingezogen hat, nicht abgestraft. Man kann nun davon ausgehen, dass dieser politische und psychologische Kriegszustand noch sehr lange dauern wird.
Wandel unwahrscheinlich
Es ist eher unwahrscheinlich, dass Bush in einer zweiten Amtszeit sanfter und pragmatischer vorgehen wird als in den letzten vier Jahren. Sein weltpolitischer und militärischer Spielraum ist wegen des Irakkrieges zwar etwas eingeengt, aber er kann sich dafür umso mehr auf wirtschaftspolitische Ziele wie die Teilprivatisierung des Pensionssystems und dem weiteren Abbau von Umwelt- und Arbeitsschutzauflagen konzentrieren. Die Steuersenkungen, die einen Milliardenüberschuss in ein Rekorddefizit verwandelt haben, werden stehen bleiben. Das amerikanische Wirtschaftsmodell mit all seinen guten und schlechten Seiten wird sich vom europäischen noch weiter entfernen.
Unterschied
Die Wahl macht auch deutlich, dass die Amerikaner anders ticken als die Europäer. Mehr als 60 Millionen Wähler haben sich für einen Mann entschieden, der überzeugt ist, von Gott gelenkt zu werden und religiöse Werte in der amerikanischen Gesellschaft umsetzen wird. Mit der bevorstehenden Neubesetzung von bis zu vier Höchstrichtern ist das Recht auf Abtreibung genauso in Gefahr wie die Schritte zum Abbau der Rassendiskriminierung. Auch die Todesstrafe, die zuletzt von immer mehr Bürgern in Frage gestellt wurde, könnte nun eine Renaissance erleben, genauso wie die Verbreitung von privaten Schusswaffen.
Fehler
John Kerry hat viele Fehler im Wahlkampf gemacht, aber letztlich hat er jedem, der Zweifel an Bush hatte, eine glaubwürdige Alternative geboten. Er hat nicht nach einem radikalen Kurswechsel gerufen, sondern nach vernünftigen Korrekturen. Nach seiner guten Leistung in den drei TV-Debatten kann niemand behaupten, dass ein anderer Präsidentschaftskandidat mit einer anderen Strategie eine bessere Chance gehabt hätte. Kerry hat im Endspurt alles gegeben, was möglich war. Nicht er hat die Wahl verloren, sondern Bush und sein mächtiger Berater Karl Rove haben sie mit ihren Botschaften und ihrer Politik gewonnen. Amerika und sein Präsident gehören zusammen - ob die Welt das will oder nicht.