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MCLoTuS said:@ MrYuri man schreibt Du als Anrede nicht groß , wie du es bei raven getan hast
Aus linguistischer Sicht ist schon die Formulierung falsch, das Du, Dein etc. sei klein zu schreiben: Das persönliche Du kann in Wahrheit schriftlich gar nicht anders, nämlich in Kleinschreibung wiedergegeben werden — da es nur auf der schriftlichen (nicht lautlichen oder kontextuellen) Ausdrucksebene existiert und wahrgenommen wird, würde es durch Kleinschreibung völlig verschwinden, denn ein klein geschriebenes "du" mit anderer (unpersönlicher bzw. anonymer) Bedeutung gibt es ja schon!
Die "Reform" versucht also nichts anderes, als das persönliche Du aus der deutschen Schriftsprache zu eliminieren, es zu verbieten. (Warum versucht der Staat eigentlich im Zuge vermehrter Großschreibung nicht umgekehrt, das unpersönliche du zu liquidieren? Und warum läßt man nicht per Erlaß z. B. Lerche als "Lärche" schreiben?)
Wer sich diesem Verbot beugt und in persönlichem Anschreiben klein "duzt", schreibt also nicht etwa das persönliche, höfliche Du klein, sondern verwendet ein ganz anderes Wort, nämlich das unpersönliche und daher im persönlichen Kontext unhöfliche du, das einen anonymen Adressaten konnotiert! Der Empfänger eines solchen Schreibens hat nach der deutschen Schriftkonvention keinen Anlaß, sich angesprochen zu fühlen. Wer ihm/ihr nahestehende bzw. vertraute Menschen mit dem anonymen du brüskiert, müßte weniger vertraute Menschen konsequenterweise mit dem ebenso anonymen man statt Sie ansprechen.
Entscheidend für Kommunikation ist bekanntlich nicht, was angeblich gemeint wird, sondern – wie die Textlinguistik lehrt – das, was beim Empfänger der Botschaft ankommt, was verstanden wird. Die Bedeutung eines Wortes wird in der Kindheit geprägt und gilt in der Regel lebenslang. Daher interpretieren gebildete Menschen z. B. ein großes "Gut" als 'Landgut' (oder eine Schulnote), ein kleines "gut" als Gegenteil von 'schlecht' und ein "Sie" anders als ein "sie" – und reagieren auf ein kleines du mindestens irritiert, wenn nicht beleidigt. Die Bedeutung eines Wortes (hier: du) per Erlaß ändern zu wollen, ist eine bestenfalls naive, schlimmstenfalls aber totalitäre, orwellsche Vorstellung