Neben dem Prominenten-Bashing betreibt das Blatt aber auch nach wie vor das klassische Geschäft des Geschichtenerfindens wie zu Günter Wallraffs Zeiten, der schon 1979 eines seiner Bild-Enthüllungsbücher »den Opfern« gewidmet hatte. Immer noch unterhält Wallraff aus privaten Mitteln einen Rechtshilfefonds für Bild-Opfer. Vor wenigen Monaten erst hat sich wieder jemand hilfesuchend an ihn gewandt: Friedrich F., 53 Jahre alt. Der gebürtige Bayer lebt seit geraumer Zeit in Thailand, in einem kleinen Bungalow im Urlauberparadies Pattaya. Er habe eine »Kälte-Allergie«, sagt er. Wenn er kalte Luft einatme, »fühle ich mich schlecht, dann wird mir im Magen unwohl, und ich bin im Kopf benommen«. Deshalb sei er schon vor langer Zeit nach Thailand gezogen, wo es das ganze Jahr über warm ist. Dort hält sich F. mit Sprachen- und Gitarrenunterricht über Wasser, jeden Monat schickt ihm seine Mutter etwas Geld.
Vergangenen Sommer ist der Deutsche in seinem Bungalow von zwei Unbekannten überfallen und ausgeraubt worden. Das Opfer wurde dabei verprügelt, das Gesicht war voller Blutergüsse und Schwellungen. Als Friedrich F. zur Polizeistation kam, sei da »ein Haufen Reporter« gewesen. Keiner habe mit ihm gesprochen, sagt er, aber es seien Fotos von seinem zerschundenen Gesicht gemacht worden. Eines davon fand den Weg zur Bild-Zeitung. Und die kolportierte eine passende Geschichte dazu, Überschrift: Thai-**** boxt deutschen Sex-Tourist k. o. Im Text heißt es, »Geschäftsmann Friedrich F.« habe »ein Thai-Mädchen« engagiert und ihr »viel Geld für ein privates Pornovideo« versprochen. Nach dem Sex habe F. nicht zahlen wollen. Wie von Sinnen habe dann »die ****« auf ihn eingeschlagen. »Vergeblich versuchten andere Prostituierte und die Bordellchefin dazwischenzugehen.« In das Foto mit F.s malträtiertem Gesicht hat Bild noch vier spärlich bekleidete thailändische Prostituierte im Hintergrund montiert.
Die Mutter von Friedrich F. in Bayern hatte den Bericht als Erste entdeckt. Ihr fiel niemand anderes ein als Günter Wallraff, an den sie sich wenden konnte. Der vermittelte den Hamburger Anwalt Helmuth Jipp. Eine Unterlassungserklärung habe Bild schon abgegeben, sagt er, nun wolle er noch auf Widerruf klagen und ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro für seinen Mandanten erstreiten. Das Landgericht Hamburg hat Friedrich F. dafür Prozesskostenhilfe bewilligt – was das Gericht nicht getan hätte, hielte es die Klage für aussichtslos. Die Version des Boulevardblatts dagegen: F. habe mit einer Thailänderin drei Pornofilme aufgenommen, sei danach das volle, verabredete Honorar schuldig geblieben. An jenem Abend habe die Frau versucht, die Filme von F. zu bekommen. Dabei sei es zwischen ihr, einem Freund und F. zu Gewalttätigkeiten gekommen. Zur Stützung dieser Version hat Bild inzwischen einen Journalisten für eine »Nachrecherche« nach Thailand geschickt; er soll belegen, dass sich alles so, wie beschrieben, oder zumindest so ähnlich zugetragen habe. Dabei behält Bild sich vor, die Kosten der Recherche bei F. mittels einer »Widerklage« einzutreiben. Opferanwalt Jipp weist darauf hin, dass die umstrittenen Filme von der örtlichen Polizei bislang nicht gefunden wurden, auch sei das gegen F. eingeleitete Verfahren mittlerweile eingestellt worden. »Die Filme gibt es nicht.«