Hahahaha! Argumentation for the win, wie so oft bei Kommunismus-Debatten.
Kommunismusdebatten sind sowieso müßig solang man nicht über die Grundlagen Bescheid weiß. Nämlich, was Marx darüber schreibt. Da geht's nicht um Gleichschaltung, sondern um Gleichheit. Egalitär heißt nicht, dass alle genau gleich viel und das Gleiche haben, sondern dass niemand durch persönlichen Besitz/Herkunft/Hierarchie einem anderen in irgend einer Weise übergeordnet sein soll. Das ist Kommunismus, eine Leitidee, kein konkretes politisches Programm. Marx schreibt in seinem ganzen umfangreichen Gesamtwerk insgesamt vielleicht ein paar Seiten über Kommunismus. Es geht nicht darum, irgend eine Utopie durchzuboxen, sondern die Gesellschaft dahingehend zu verändern, dass das grundlegende Prinzip bzw. das Antriebsmotiv des Kommunismus erfüllt wird. Das grundlegenden Antriebsmotiv ist, dass niemand gezwungen ist aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen sich jemand anderem unterzuordnen bzw. in ein absolutes Abhängigkeitsverhältnis zu begeben. Darum hat Marx für die Rechte des Proletariats gekämpft. Nicht weil er die irgendwie moralisch besser oder sonst irgendwie toller fand, sondern weil die die gesellschaftliche Schicht ist, der's am dreckigsten ging. Das ist der Kernpunkt des Ganzen. Der Weg über den Sozialismus/Kommunismus ist sein Vorschlag, wie man diesen Zustand der Ungerechtigkeit beseitigt. Das ist natürlich insofern nicht mehr ganz so zeitgemäß, als sich die gesellschaftlichen Verhältnisse in dem letzten Jahren stark verändert haben (zu einem nicht unerheblichen Teil eben durch Marx und andere, von ihm unabhängige Sozialisten und ihre Bestrebungen). Das sollte man vor allem niemals vergessen.
Marx/Engels sollte man auch niemals mit der Lenin-Auslegung in einen Topf werfen. Der euphemistische Begriff "Marxismus-Leninismus" ist ein Etikettenschwindel. Lenin war ein dreckiger Totalitarist, mehr nicht. Aber was anderes ist von einem Adeligen auch nicht zu erwarten. Mit der Parteiendiktatur nach Leninistischem Vorbild hat Marx wenig zu tun, wiewohl er auch den zweifelhaften und sehr bedenklichen Passus der Diktatur des Proletariats hat. Diktatur, egal von welcher Schicht ausgeübt, ist selten produktiv und hätte Marx das 20. Jahrhundert miterlebt hätte er das wohl schnell wieder rausgestrichen.
Das ist jetzt weniger ein Fürspruch für den tatsächlichen Marxismus als vielmehr ein Versuch, hier auch endlich mal eine niveauvolle Diskussion, d.h. eine mit einem gewissen Kenntnisstandard und einer gewissen Argumentationskultur zustandezubringen. Dieser Versuch ist natürlich die größte Utopie von allen.
Ich halte übrigens persönlich nicht viel von Marx/Engels, aber gewisse absolut befürwortbare und gesellschaftlich extrem produktive Ansätze sind zweifellos vorhanden und zu würdigen. Ohne die beiden würden wir höchstwahrschienlich heute in einer wesentlich ungerechteren Welt leben.
Überhaupt pflegt ein Professor bei uns am Institut zu sagen, dass sowieso die ganze westliche Welt aus Krypto-Marxisten besteht.