er hat ja auch nicht behauptet, dass alle Nazis Fleischfresser waren
ich bin auch Vegetarier, beschränke das aber ausschießlich auf den Fleischkonsum. Die unsinnige These oben, dass das Essen von Fleisch wichtig sei für die Gesundheit oder dass man ausgemergelt sei, wenn man's nicht esse, kann ich nur belächeln. Ernährungsnoob fällt mir dazu ein.
Mit dem Fleisch ist es wie mit dem nicht-rauchen in der Gesellschaft von Rauchern. Jeder hatte bereits mal ein mulmiges Gefühl bei Berichten über Schlachthäuser oder war innerlich aufgewühlt beim Anblick von Misshandlungen von Tieren ( auch im Zusammenhang von Transporten), aber die Reaktion ist meistens überspielte Verdrängung à la: Ich ess nur, was schön blutet oder "muuh" gesagt hat etc etc... müsst ihr mal beobachten. Oder: ein Vegetarier steht vor euch und ihr versucht, ihn in Widersprüche zu verstricken à la: hey, und dann rauchst du?" oder "ha, und sind das nicht Lederschuhe, die du trägst?"
Genau wie der Ex-Raucher vor seinen Raucherkumpels. "Willste eine? Ach nee, du rauchst ja nicht mehr..." oder: "aaaah, jetzt ne schöne Kippe.. also wirklich, darauf könnte ich nicht verzichten... aber dir weiterhin viel Glück beim Nicht-Rauchen..." alles klägliche Versuche, das eigene Gewissen im Zaum zu halten.
Jeder soll das handhaben wie er will. Ich persönlich will einen kleinen Beitrag leisten, dass weniger Tiere für den Geschmack getötet werden. Da es überall leckere vegetarische Gerichte gibt, ist das in der heutigen Zeit auch überhaupt nichts besonderes mehr. Geschmacklich fand ich Fleisch toll, aber irgendwann hat's "klick" gemacht und ich dachte mir: " was ist mehr Wert? Mein Gaumenkitzel oder das Leid von Tieren?" Ich hab mich für das Leid entschieden.
Missionierende Veganer oder Vegetarier finde ich genauso nervig wie die Zeugen Jehovas. Und wer hingeht und das menschliche Ethikbewusstsein durch KZ-Vergleiche in den Dreck zieht, hat in meinen Augen net alle Latten am Zaun. Wenn ein Tier gequält wird, ist das für mich ein Grund zum Einschreiten und wenn ich es ohnmächtig ansehen muss, macht es mich traurig. Aber das ganze steht nicht auf einer Stufe mit dem Quälen oder Töten von Menschen und schon gar nicht mit dem schlimmsten Verbrechen aller Zeiten: Dem Holocaust.
Tiere sind schon ewig Teil der menschlichen Ernährung und da ist nichts verwunderlich oder unethisch dran. Ich persönlich differenziere da nach Leidensfähigkeit und sehe daher z.B. die chemische Reaktion einer Pflanze, wenn sie angeschnitten wird, nicht als Schmerz an. Und irgendwas muss man ja essen. Löwen z.B. haben keine Alternative, Menschen in unserer Zivilisation jedoch schon. Wenn das einen Beitrag zur Linderung der negativen Auswüchse der Massentierhaltung ist, bin ich dafür. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Letztendlich muss ein längst vergessenes Bewußtsein zurückkehren. Das Bewußtsein, dass nicht das Geld bzw. der Preis das wichtigste ist, sondern die Substanz / die Qualität. Solange Verbraucher mit ihren Preisansprüchen Massentierhaltung erst ermöglichen, wird es Fleischskandale, Tierseuchen und Misshandlungen von Tieren geben. Es muss kein Dankgebet gen Himmel gerichtet werden, um den Tod des sogleich verschlungenen Kalbes zu beklagen, aber die Anonymisierung von Tieren ( Fischstäbchen, Streichwurst, Schweineschnipsel auf Pizzen etc etc etc...) entrückt das Lebewesen aus der Vorstellungswelt des Konsumenten. Manchmal erinnert mich das alles an den Film "Soylent Green".
Der KZ-Vergleich mag daher schnell über die Lippen kommen wegen des anonymen, industriellen Charakters der Tierhaltung- und Tötung, aber der qualitative Unterschied liegt darin, dass es sich bei KZs eben um Menschen handelt und diese aus ideologischen Gründen getötet wurden. Andererseits habe ich bereits Judenseife, Judenhauttischlampen- und Aschenbecher gesehen. Das Zahngold wurde verwertet, die Haare ebenfalls und die Besitztümer wurden konfisziert. Aber der Unterschied ist: das eine geschieht aus Hass auf die Existenz des Wesens, das andere aus wirtschaftlichen Gründen, um einen Beitrag zur Ernährung zu leisten. Das ist vom moralischen Standpunkt aus ein gewaltiger Unterschied. Und unser Moralverständnis bezieht sich in erster Linie auf dem Umgang von Menschen als soziale Wesen untereinander. Seit die biologische Evolution der Menschen irrelevant wurde und die soziale Evolution einsetzte, sind die Menschen der Fauna entrückt.
Unsere moralischen Errungenschaften sollten uns aber auch den Umgang mit anderen, ebenfalls leidensfähigen Wesen, nähergebracht haben. Da die Moral gerade im Zusammenhang mit Tierhaltung- und Tötung oft mit Füßen getreten wird, sind solche KZ-Vergleiche zwar in der Sache nicht angebracht und beleidigen die Betroffenen, aber können zumindest aufrütteln und Menschen Diskussionen anstoßen lassen, so wie hier gerade.