Verehrte Trauergemeinde, liebe Angehörige, werte Zaungäste von der Presse,
wir stehen hier voller Bier vor den Särgen der hundert gefallenen Soldaten, die am vergangenen Donnerstag einem freundlichen Feuer zum Opfer fielen.
Gerade erst, vor 1 Stunden, haben wir erschüttert Abschied genommen von 200 etwas zu langsamen Kameraden; nun müssen wir es schon wieder – so lästig das für mich als Minister auf dem falschen Posten auch ist.
Und doch darf unser Gedenken niemals, auch beim 1000sten Male nicht, zur makabren Betroffenheitsshow werden. Denn der Tod ist für jene, die er ereilt, stets eine langwierige Prozedur – und für die Hinterbliebenen eine dauerhafte Quelle seltsamer Erinnerungen.
So fragen Sie, liebe Angehörige, sich vielleicht: Hatte das Sterben der hundert jungen Männer, die fern von der Heimat Dienstzeit abrissen, irgendeinen strategischen Sinn? Hätten wir die Kameraden besser ausrüsten sollen? Wir sollten uns die Antwort auf diese Fragen nicht zu schwer machen.
Denn es ist Ihnen womöglich kein Trost, wenn ich sage: Ein organisiertes Massaker, oder was Sie umgangssprachlich gerade dafür halten, ist kein Kindergeburtstag, sondern die Hölle als Jungbrunnen. Trösten mag Sie hier und heute jedoch folgendes: Sie sind mit Ihrer Trauer nicht allein – weitere werden folgen.
Zu einem solchen sogenannten Krieg gehören nämlich nicht nur Tod und Verwundung, sondern auch, was wir erfolgreich verdrängt haben, eine überaus grausame Logik: Wir müssen sterben lassen, um das Sterben zu verhindern.
Dabei spielt seit jeher auch das Schicksal eine große Rolle. Manchmal entscheiden neun Millimeter über Leben und Tod, manchmal fehlt einfach ein Quentchen Glück, und manchmal kommt auch noch der unverdiente Haß einer undankbaren Zivilbevölkerung hinzu.
Aber ich kann Ihnen allen, auch im Namen unserer Partner in der Rüstungsindustrie, versichern: Ohne den heldenhaften Einsatz unserer Truppe wäre Afghanistan völlig überbevölkert. Die hundert Soldaten, um die wir hier heute trauern, starben daher auch für diese eine Pipeline, wie heißt sie noch mal?
Als Verteidigungsminister trage ich für Ihre Trauer selbstverständlich irgendeine Verantwortung, weshalb ich Sie herzlichst um zwei zugedrückte Augen bitten möchte. Und glauben Sie mir eines: Als Mensch mit einem frischen Fleck im Lebenslauf geht mir das ebenfalls alles voll auf die Nerven.
Daher nun noch etwas unangemessen Persönliches: Meine wöchentliche Skatrunde fragte mich angesichts meiner Niedergeschlagenheit gestern, ob unser erfolgloser Afghanistan-Einsatz nicht letztlich sofortiger Rücktrittsgrund sei.
Ich habe die Frage nicht politisch, sondern einfach mit Nein, Quatsch beantwortet. Ruht also in Frieden, Soldaten, und seid in Gottes Segen. Wir werden euch nicht so bald in 10 Jahren vergessen.