@Raoul:
Es ist vergebene Liebesmüh was du versuchst zu vermitteln.
Ich musste nach der Wiedervereinigung 13 Jahre im Beitrittsgebiet arbeiten, hatte dort eingeheiratet, gewohnt und zuvor noch 21 Jahre Erfahrung als ummauerter West-Berliner auf dem Buckel.
Diese Debatte habe ich tausendeinmal (mit-)gehört, selber geführt und irgendwann resigniert.
Viele Leutz aus der ehemaligen DDR stammen, haben einen völlig verklärten Rückblick auf ihre kleine Welt , wo ja "alles in Ordnung war bis auf die Reisefreiheit".
Es gab alles zu kaufen, keine Arbeitslosigkeit, die Verbrechensrate war verschwindend gering, die Preise erschwinglich, der Staat sorgte für seine Bürger und es gab natürlich auch ein paar "Spinner" die partout gegen den Staat waren und deshalb verfolgt wurden.
Nach der Wende kamen Arbeitslosigkeit, Verbrechen, Preissteigerungen, Spekulanten aber man konnte jetzt Urlaub auf Malle machen (sofern man es sich leisten konnte).
Diesen, mit Vorlaub gesagt, Shice habe ich mir 13 Jahre lang angehört und mich gefragt, warum denn das System zu Grunde gegangen ist, wenn doch offenbar früher alles schöner/besser war.
Das es sich tatsächlich um einen verklärten Rückblick handelt merkte ich in den ersten Wochen in Ost-Berlin, als Festgenommene mich anflehten, sie nicht in den Keller vom Revier zu bringen wo ich arbeitete, teils pissten sie sich vor Angst in die Hosen. Die Ex-VoPo's wussten warum... in den dort befindlichen Zellen wurde vorher gefoltert und geschlagen.
Nach einem geführten Besuch der Stasi U-Haftanstalt in Hohenschönhausen waren bei mir auch die letzten Zweifel daran verflogen, was die DDR für ein assiges System war.
Für mich unverständlich nahm die Glorifizierung der ehemaligen DDR immer mehr zu und eigentlich wurde nur noch so berichtet/überliefert, wie ich im zweiten Absatz beschrieben hatte.
Wer Kritik an der DDR übte, war ein arroganter Wessi und hatte eh keine Ahnung wie schön es früher war.
Junge Kollegen, welche die DDR nur im Kindesalter kurz miterlebt hatten, brabbelten denselben Mist wie ihre Eltern und was Mammi und Pappi sagten, war ja die Wahrheit.
Da wurden kollektiv T-Shirts mit der Aufschrift "Grenztruppen der DDR" angezogen, die DDR-Fahne im Auto ausgelegt und in der Freizeit der blau-gelbe FDJ-Fummel getragen.
Irgendwann habe ich nicht mehr dagegen gesprochen wenn das Leben vor der Wende hochgelobt wurde... es war völlig sinnlos.
Die meisten haben bis heute nicht begriffen, das ihnen kein Schlaraffenland gegeben wurde sondern nur ein kleines Stückchen mehr Freiheit.
Das dazu auch die Freiheit gehört das man sich auszusuchen kann von wem man ausgebeutet wird, ist natürlich Wasser auf den Mühlen der Ostalgiker.
Den verklärten Blickwinkel durch Aufklärung und knallharte Fakten zu verändern halte ich für unmöglich.
Hier kann ja jeder seine eigene Meinung vertreten aber das konnten sie ja auch schon früher... oder?