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@PJ: Okay, ich kann deine Argumentation auch irgendwie verstehen, aber teile deine Ansicht ebenfalls nicht. Ich habe aber das Gefühl, dass unsere Meinungsverschiedenheit hier aber mit der Verwendung von Begriffen wie Mensch, Natur und Evolution auf einer sehr grundsätzlichen Ebene zusammenhängt. Ich halte den Begriff Evolution für absoluter als du, denke ich, und glaube auch nicht, dass es möglich ist, ihr zu entgehen, solange man ein organisches, sich geschlechtlich vermehrendes Lebewesen ist. Die Vernunft ist nur das Werkzeug, das beim Menschen das reflexartige, mechanische Verhalten der Insekten und den Instinkt „höherer“ Tiere ersetzt und ihm so mit einer höheren Flexibilität ausstattet, die die Wucht der Evolution abfedert. Aber solange Scheitern eine Option ist (und ich halte die Menschheit nicht für unbesiegbar) steht auch die Evolution noch zur Debatte. Entsprechend sehe ich den Unterschied zwischen Mensch und übrigen Tieren nicht als qualitativ sondern als quantitativ, vergleichbar den Unterschied „niederer“ Wirbeltiere mit den Insekten.
Um das mal zu konkretisieren: Menschen verändern ihre Umweltbedingungen, indem sie Gebäude bauen und Nahrungsmittel züchten. Etwas vergleichbares machen auch einige Ameisenarten: Sie errichten ihre Baue und Stöcke, um sich vor den Witterungen zu schützen, einige pflanzen sogar Samen in den weichen Boden unter ihren Unterkünften, um die fertigen Pflanzen später zu essen, oder „halten“ sich Blattläuse, deren Sekrete sie trinken. Der Mensch macht das eben nur in einer ganz anderen Dimension.
Seine Vernunft ermöglicht ihm vor allem, solche Errungenschaften innerhalb einer oder verhältnismäßig wenigen Generationen zu entwickeln, da er durch sie aus bereits erfolgreichen neue ableiten kann und von vornerein zum Scheitern verurteilte vorher mental aussortieren. Das ist aber, von dem, was andere Arten machen auch nicht völlig entfernt. Wölfe und andere Rudeltiere halten auch alte und schwache Artgenossen am Leben und haben dadurch Vorteile, da diese bereits Erfahrungen über das Verhalten ihrer Beutetiere oder Feinde gesammelt haben und so anhand ihren Reaktionen das ganze Rudel richtig reagieren kann. In einem Insektenstamm würden solche Tiere einfach ihren Tode überlassen und so müsste die ganze Gruppe komplett neu lernen – auf die schmerzhafte Art und Weise. Auf diese Weise federn die Rudeltiere die Wucht der Evolution ab. Der Mensch geht da noch einen Schritt weiter, aber eben in diesselbe Richtung.
Die Vernunft bewirkt ganz ähnlich wie in den vorigen Beispielen, dass die Selektion funktionierender und unfunktionaler Verhaltensweisen nicht allein natürliche Selektion ist, sondern auch anhand bereits gemachter Erfahrungen im Verstand stattfindet. Und weil wir unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben, ist eben eine Diskussion nötig.
Und auch Rudelverhalten von Raubtieren bleibt ja nicht gleich, es wird, wenn es nicht mehr angemessen ist, auch ausgetauscht, nur spielt hier natürliche Selektion eine größere Rolle.
Aber es ist das gleiche Prinzip, es wird nur anders ausgeführt.
Edit:

Um das mal zu konkretisieren: Menschen verändern ihre Umweltbedingungen, indem sie Gebäude bauen und Nahrungsmittel züchten. Etwas vergleichbares machen auch einige Ameisenarten: Sie errichten ihre Baue und Stöcke, um sich vor den Witterungen zu schützen, einige pflanzen sogar Samen in den weichen Boden unter ihren Unterkünften, um die fertigen Pflanzen später zu essen, oder „halten“ sich Blattläuse, deren Sekrete sie trinken. Der Mensch macht das eben nur in einer ganz anderen Dimension.
Seine Vernunft ermöglicht ihm vor allem, solche Errungenschaften innerhalb einer oder verhältnismäßig wenigen Generationen zu entwickeln, da er durch sie aus bereits erfolgreichen neue ableiten kann und von vornerein zum Scheitern verurteilte vorher mental aussortieren. Das ist aber, von dem, was andere Arten machen auch nicht völlig entfernt. Wölfe und andere Rudeltiere halten auch alte und schwache Artgenossen am Leben und haben dadurch Vorteile, da diese bereits Erfahrungen über das Verhalten ihrer Beutetiere oder Feinde gesammelt haben und so anhand ihren Reaktionen das ganze Rudel richtig reagieren kann. In einem Insektenstamm würden solche Tiere einfach ihren Tode überlassen und so müsste die ganze Gruppe komplett neu lernen – auf die schmerzhafte Art und Weise. Auf diese Weise federn die Rudeltiere die Wucht der Evolution ab. Der Mensch geht da noch einen Schritt weiter, aber eben in diesselbe Richtung.
Ich meine, dass ich das Zitat auch kenne (wenn auch nicht im Wortlaut) und ich habe es immer eher als Absage gegen die Sozialdarwinisten verstanden. Also, dass keine Evolution innerhalb der menschlichen Spezies stattfindet, zumindest nicht in der Art, wie sie zwischen verschiedenen Arten stattfindet. Was ja auch einleuchtet, da hier ja zumindest theoretisch eine freie Möglichkeit zur Reproduktion und Kommunikation stattfindet, so dass eine Konkurrenz nicht zwingend nötig ist (auch kontraproduktiv sein kann) und keine festen Grenzen hat, an den sie sich orientieren könnte. Dass der Mensch als Spezies von der Evolution frei ist, habe ich da nie rausgelesen.Der Mensch hat die Kategorien der Evolution gesprengt, was ja schon Darwin erkannt hat. Der hat ja sich ausdrücklich dagegen gewehrt, dass die Evolutionstheorie auf den Menschen übertragbar ist.
Ich würde behaupten, dass der Unterschied da gar nicht so fest ist. Also dass Moral wie nach Tacott Parsons nichts weiter als verinnerlichte Gesellschaftsregeln sind. Nur, dass wir eben davon ausgehen, uns unsere Gesellschaft selbst aussuchen zu können und so die Normen der Gesellschaft vertreten, in der wir gerne leben würden, statt in der, in der wir tatsächlich sind.Darüber hinaus ist es gelinde gesagt sehr sehr gewagt, Rudelverhalten mit Moralvorstellungen gleichzusetzen. Soziales Verhalten innerhalb eines Rudels oder einer Herde hat was mit Gruppendynamik und -hierarchien zu tun. Ein Wolf im Rudel hält sich an soziale Konventionen, weil es eine Hierarchie gibt und das Alphatier den Ton angibt. Wer sich nicht fügt, wird bestraft oder ausgeschlossen. Das hat aber nichts mit Moralvorstellungen zu tun. Rudelverhalten gibt's ja auch bei Menschen. Wenn eine Gruppe besoffener Skinheads ein türkisches Pärchen anpöbelt und angreift, müssen auch alle mitmachen, sonst gehört man nicht dazu und wird sozial ausgeschlossen. Das hat nichts mit Moralvorstellungen zu tun sondern mit Gruppendynamik. Die Mitglieder eines Wolfsrudels handeln die Regeln ja nicht aus. Wenn ich nicht einfach einen Menschen umbringe, dann tue ich dies nicht, weil mich die Gesellschaft sonst bestraft, sondern im Gegenteil: Die Gesellschaft bestraft Mörder, weil die gesellschaftlichen Konventionen auf Moralvorstellungen aufbauen. Moralvorstellungen können sich ändern, weil sie eben Ergebnisse von bewusster Reflexion bzw. Hinterfragung, Verhandlung und Entwicklung sind. Rudelverhalten bleibt jedoch gleich.
Die Vernunft bewirkt ganz ähnlich wie in den vorigen Beispielen, dass die Selektion funktionierender und unfunktionaler Verhaltensweisen nicht allein natürliche Selektion ist, sondern auch anhand bereits gemachter Erfahrungen im Verstand stattfindet. Und weil wir unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben, ist eben eine Diskussion nötig.
Und auch Rudelverhalten von Raubtieren bleibt ja nicht gleich, es wird, wenn es nicht mehr angemessen ist, auch ausgetauscht, nur spielt hier natürliche Selektion eine größere Rolle.
Aber es ist das gleiche Prinzip, es wird nur anders ausgeführt.
Edit:
Das ist so ein richtig schönes "Elfenbeinturm"-Thema, da wär es auch zu schade, wenns sie's nicht machen würdenBoah, Respekt an diejenigen die da so sauviel zu schreiben können![]()

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