Klar, alle die sich kritisch gegenüber der Berichterstattung im medialen Mainstream zu Russland oder der Ukrainekrise äußern sind vom Kreml bezahlt. Das macht die Sache für unsere Meinungsmacher natürlich einfach. Sich angesichts der zum Teil tendenziösen und manipulativen Berichterstattung in unseren Medien mit mitunter berechtigter Kritik der Leser auseinandersetzen zu müssen, wer möchte das schon? Das ist doch lästig. Da verpasst man lieber allen Kritikern den Stempel mit der Aufschrift „vom Kreml bezahlt" und fertig.
Sehr bequem sowas, das muss ich schon sagen. Gerade nachdem sich der Schmähbegriff „Putinversteher" inzwischen so abgenutzt hat. Wozu sich mit Gegenargumenten beschäftigen, wenn man Andersdenkenden einfach unterstellen kann, dass sie vom Kreml bezahlt sind?
Dass PR-Agenturen im Auftrag von Regierungen Propaganda betreiben ist spätestens seit dem Georgienkrieg allgemein bekannt. Deren Tätigkeit im Sinne der Regierung Saakaschwili war in den westlichen Medien auch ziemlich erfolgreich. Viele hiesige Medien haben das ihnen zugesandte PR-Material nur allzu gerne veröffentlicht, denn man spart sich die aufwändige Recherche vor Ort und hat kostenlos ein paar schöne Bilder und Videos für seine Leser/Zuschauer. Dass die meisten Leute hierzulande heute noch glauben, die Russen hätten Georgien angegriffen und nicht umgekehrt nur auf den georgischen Angriff auf einen Verbündeten Russlands reagiert*, ist maßgeblich auf die von der georgischen Regierung bezahlten PR-Agenturen zurückzuführen. (Bei der Ukrainekrise übernimmt diese Rolle für die Machthaber in Kiew das
Ukrainian Crisis Media Center.)
Vom Bezahlen von PR-Agenturen zur Verbreitung von Propagandalügen zum Bezahlen von PR-Agenturen zum Schreiben genehmer Nutzerkommentare ist es nur ein kleiner Schritt. Es ist naiv zu Glauben, dass bei gerade hochkochenden Konflikten nicht alle Parteien versuchen werden die öffentliche Meinung aus solche Weise zu beeinflussen. Die einen lassen das durch ihre Geheimdienste oder die Onlineabteilung der Armee erledigen, die anderen bezahlten dafür Agenturen. Das Ergebnis ist dasselbe.
Zu behaupten oder, wie in dem von verlinkten Artikel der Süddeutschen, zumindest zu implizieren, dass die Masse der kritischen Kommentare überwiegend von bezahlten Kreml-Propagandisten geschrieben wurden, ist mir argumentativ doch ein bisschen zu billig.
Natürlich kann man allein über die Anzahl von Onlinekommentaren, die eine bestimmte Ansicht vertreten, kaum über die Ansichten der Mehrheit der Bevölkerung schließen. Es sind ja nicht zwangsläufig die in der Mehrheit, welche am lautesten Schreien. Mit vorgebrachten Argumenten wird man sich dennoch auseinandersetzen müssen.
*Ganz so einfach war das damals natürlich nicht. Die gegenseitige Zündelei ging schon einige Monate vor dem Krieg los, aber Fakt ist, dass der Krieg mit einem Angriff Georgiens begonnen hat. Aber das ist ein anderes Thema...