Interview mit Samwise Didier

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Die Aufregung war groß, als Blizzard in Korea die Entwicklung von StarCraft II ankündigte. Hardcore-Fans freuten sich, dass die Amerikaner im Multiplayer-Modus so wenig wie möglich am Spielprinzip ändern. Und Berufsnörgler wie ich, beschwerten sich angesichts fehlender Innovationen.

Auch bei der Grafik wählte Blizzard den sicheren Weg und liefert eine eigene Engine, die zwar kein Effektfeuerwerk abbrennt, dafür aber recht übersichtlich ist und annehmbare Systemanforderungen bietet. Lediglich beim Singleplayer-Modus gehen die Kult-Entwickler neue Wege und integrieren frei begehbare Raumschiffe in bester Adventure-Manier – dazu demnächst mehr!

Auf der Games Convention hatten wir die Chance, dem Senior Art Director Sam Didier auf den Zahn zu fühlen und ihn zu fragen, warum Blizzard diesen Weg eingeschlug, was es sich mit dem Comic-Look auf sich hat und ob es am Ende doch noch ein World of StarCraft geben wird.

Eurogamer: Hallo Sam, wie seit Ihr denn eigentlich an die Entwicklung von StarCraft II heran gegangen?

Sam Didier: Wir wollten nicht wie bei WarCraft III etwas wirklich bahnbrechendes einbauen und damit das ganze Spiel verändern. Stattdessen versuchten wir, zuerst StarCraft II genauso spielbar zu machen wie den ersten Teil. Denn das Spiel wird immer noch sehr viel gespielt und ist gerade in Korea extrem populär. Vor allem das Gameplay und die Kontrollen sind noch heute einmalig. Nachdem wir dieses erste Ziel erreicht hatten, wollten wir zeigen, dass dies wirklich StarCraft II ist und nicht nur eine 3D-Version des ersten Teils. Deshalb begannen wir kleine Sachen einzubauen, die das Spiel immer weiter veränderten.

Zum Beispiel die Protoss: Sie hatten im ersten Teil zwar ungewöhnliche Einheiten wie die Zealots, aber wir wollten einfach viel mehr integrieren, damit sich das Spiel anders als der erste Teil spielt. Deswegen haben wir uns die Warp-Technologie geschnappt und komplett umstrukturiert. Sobald man nun ein Warp-Gateway besitzt, kann man gebaute Einheiten überall dort materialisieren, wo es Warpknoten gibt. Wenn man also einen Knoten direkt an der gegnerischen Basis baut und zum Beispiel zehn Warp-Gateways besitzt, kann man auf einen Schlag zehn Zealots an die Front schaffen, die dann die feindliche Basis attackieren. Alles was man dort bauen kann, kann man teleportieren und so ganz neue Taktiken verwenden. Doch wir entwickelten das Ganze noch weiter. So nahmen wir das Protoss-Shuttle, genannt Phase Prisma, und sorgten dafür, dass es sich in einen Warpknoten verwandeln kann. Auf diese Weise kann man es hinter die feindlichen Linien schicken und so ständig Truppen in den Rücken der Gegner transportieren, während vorne die Hauptarmee angreift.

Nach und nach haben wir versucht, jede Rasse umzubauen. Zum Beispiel die Terraner, die ja bei der Verteidigung schon immer recht effektiv waren. So baut jeder Terraner-Spieler zum Beispiel Supply-Depots als Schutzwälle. Doch warum kann man diese nicht heben und senken, um den Truppen einen Ausfall zu erlauben? Deshalb haben wir diese Funktion eingebaut, um den Taktikansatz der Terraner zu stärken. Im Gegensatz zu WarCraft III, wo wir die Helden hatten und sagen konnten, 'das ist der große Unterschied', sind es nun viele kleine Änderungen, die das Spiel so anders machen.

Eurogamer: Nehmen wir an, das Spiel wäre nicht mehr solch ein Erfolg in Korea. Hättet Ihr dann größere Veränderungen vorgenommen und es gäbe ein anderes StarCraft II? Sind eure Änderungen nicht ein wenig konservativ?


Sam Didier: Was ganz sicher nicht konservativ ist, ist die Single-Player-Kampagne. So etwas hatten wir wirklich noch nie. Wir wollten nicht mit dem, was wir mit StarCraft erreicht haben, leichtsinnig herum spielen. Klar hätten wir Helden einführen können, weniger Einheiten und ein Inventory, aber das wäre nicht StarCraft II gewesen. So etwas passt nicht zu der Serie. Das wäre so, als würde man Darth Vader im nächsten Star Wars-Film rot anmalen, statt schwarz. Das ist nicht das, was die Leute wollen. Wenn die Leute an StarCraft denken, dann wollen sie all die Tugenden, die sie kennen.

Wir wollten dem Vermächtnis der Serie treu bleiben und nur die Dinge hinzufügen, die in das System hinein gehören, wie zum Beispiel das mit dem Warp der Protoss. Deshalb haben wir den Multiplayer nur verbessert und unsere ganze Energie in die Single-Player-Kampagne gesteckt, die mit ihrem Adventure-Teil schon viel Umstellung von den Fans erfordert. Das ist wirklich einzigartig und birgt auch ein Risiko, denn die Leute werden sich Fragen, warum sie bei einem RTS herum rennen und mit Leuten reden müssen.

Wir wussten, dass unsere Fans die Story mit all ihren Intrigen und Wendungen liebten. Die bekommt man wieder und noch viele Sachen dazu. Sie können sich nun mit allen möglichen bekannten Figuren unterhalten und all die Planeten besuchen, die das Starcraft-Universum so spannend machen. Dies wird den Titel von der Konkurrenz abheben, auch wenn wir das Spielsystem nicht komplett umwerfen.

Eurogamer: Du sagtest, mit Helden wäre StarCraft II kein richtiges StarCraft. Wird es aus dem gleichen Grund auch kein World of StarCraft geben?

Samwise Didier: Wir haben dazu noch nichts gesagt oder erwähnt, aber es klingt nach einem großen Spaß für mich, die StarCraft-Figuren in einem Online-Rollenspiel zu nutzen. Ich wäre auf jeden Fall nicht dagegen. Viele fragen uns danach, also würde es wahrscheinlich auch eine Zielgruppe geben, aber wir haben noch nichts angekündigt, also kann ich darauf keine Antwort geben.

Eurogamer: Ist es schwer für Euch, das Spiel für Esportler anzupassen?

Samwise Didier: Erst einmal machen wir Spiele, die uns gefallen müssen. Wir lassen uns da nicht zu viel hineinreden. Wir überlegen uns, was wir erleben wollen und setzen es dann um. Trotzdem arbeiten wir natürlich mit Esportlern zusammen, um ein gutes Balancing und einen guten Online-Modus gewährleisten zu können. Zum Beispiel gab es auf der Blizzcon ein paar Esportler aus der StarCraft und WarCraft III-Szene, die nach der Veranstaltung noch an den Terminals spielten. Als wir sahen wie gut sie waren, haben wir sie dazu eingeladen, uns ihre Erfahrungen mitzuteilen und noch ein paar Partien zu spielen.

Sie spielten fantastisch und lieferten unseren Designern jede Menge Ideen und Informationen. Sie sagten uns, ob sie das Spiel zu schnell oder zu langsam und welche Einheiten sie zu stark oder zu schwach fanden. Wir haben Ihnen die Informationen praktisch direkt aus dem Hirn gezogen. Manche waren so talentiert, dass wir sie nach der Blizzcon direkt in unser Büro eingeladen haben. So werden wir während der gesamten Entwicklung immer wieder die Meinung der Spieler einholen und vor allem die Closed Beta dazu nutzen, ein vernünftiges Balancing auf die Beine zu stellen.

Eurogamer: Denkt Ihr denn, dass es der Esport schaffen wird, als normale Sportart anerkannt zu werden?

Samwise Didier: Ich fände es toll, wenn sich aus Videospielen ein richtiger Sport entwickeln würde. In Korea sind sie schon so weit, dort verdienen viele Spieler eine ganze Menge Geld. Dort gibt es einen Markt dafür. Wir wollen, das StarCraft II ein neuer Standard im Esport wird. Klar wird es nicht Fußball ersetzen, aber es ist einfach zu verstehen und könnte eine immer größere Bedeutung gewinnen. Es ist spannend anzuschauen und wir tun alles, um das Spiel sowohl für Spieler als auch für die Zuschauer interessanter zu machen. So werden wir natürlich auch den Spectator-Mode einbauen, den wir in WarCraft III eingeführt haben. .

Eurogamer: Warum denkt Ihr, ist StarCraft gerade in Korea so erfolgreich als Esport-Spiel, während zum Beispiel in Deutschland mehr Counter-Strike gespielt wird?

Samwise Didier: Ich denke, wir kamen einfach genau zum richtigen Zeitpunkt. Das Gameplay selbst ist recht simpel, so ähnlich wie Schach. Aber es erlaubt eine enorme strategische Tiefe, was es auf der ganzen Welt und natürlich auch Korea so populär macht. Auf der einen Seite erlernt man es schnell, auf der anderen Seite braucht man lange, um das eigene Spiel zu perfektionieren. Selbst wir sind erstaunt, was die Spieler alles mit unserem eigenen Titel anstellen. Wir fragen uns oft: „Wie machen sie das?“

Eurogamer: Welche Esport-Funktionen wollt Ihr in das Battle.net einbauen? Welche neuen Features erwarten uns bei StarCraft II?

Samwise Didier: Natürlich erst einmal alles, was wir auch in WarCraft III benutzen. Also auch die Möglichkeit, bei den Spielen zu zuschauen, Replays zu speichern und an der Ladder teilzunehmen. Aber wir wollen natürlich noch viel mehr Funktionen einführen, über die ich aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht reden kann. Die Esport-Funktionalitäten stehen zusammen mit der Sicherheit auf der Prioritäten-Liste ganz oben. Wir hoffen, dass wir bald über die neuen Funktionen sprechen können. Wir werde auf jeden Fall auf die Community hören und auf ihre Wünsche eingehen.

Eurogamer: Für WarCraft gibt es schon eine ganze Palette an Merchandising-Material, wollt Ihr diesen Bereich auch bei StarCraft auszubauen?

Samwise Didier: In meinem Kopf gibt es schon eine ganze Menge Sachen, die ich mir für StarCraft II wünsche. Doch erst einmal konzentrieren wird uns auf die Entwicklung des Spiels, bevor wir uns Gedanken über das Merchandising machen. Immerhin ist gerade eben ein StarCraft-Board-Game heraus gekommen, das man seit der Blizzcon kaufen kann. In Korea hatten wir schon Duritos und Schokoriegel mit StarCraft-Branding darauf. Und in China gab es Cola-Dosen mit World of WarCraft-Logo. Außerdem gibt es natürlich Buchserien zu unseren Spielen und Action-Figuren. Wir wollen aber auch in Zukunft nur hochwertige Sachen herausbringen, die zu unseren Spielen passen.

Eurogamer: Wie sieht es denn nun genau mit den Hardwareanforderungen aus, werdet Ihr auch diesmal versuchen, alte Systeme zu unterstützen?

Samwise Didier: Ja, wir werden auf jeden Fall dieselbe Strategie wie bei unseren anderen Titeln wählen.

Für Leute mit starken Rechnern werden wir alle modernen Effekte wie Normal Mapping, Specular Maps, Dynamische Schatten und HDR liefern. Alles, was man von einem Next Generation-Game erwartet. Doch auch die Besitzer älterer Systeme werden das Spiel genießen können, müssen aber auf ein paar Effekte verzichten.

Eurogamer: Warum setzt Ihr eigentlich auf diesen Comic-artigen Look?

Samwise Didier: Es gibt verschiedene Gründe, warum wir diesen Look einsetzen: Erstens macht es einfach Spaß, in diesem Stil zu zeichnen. Ich möchte keine normalen Menschen entwerfen, das ist langweilig. Wir wollen die ganze Welt wie in einem Superhelden-Comic darstellen. Die Bösewichter sind wirklich fiese Monster mit kleinem Kopf und gewaltigen Muskeln, um ihre Brutalität zu transportieren. Ich denke, dieser Stil ist auch ein Grund, warum unsere Spiele so erfolgreich sind.

Zweitens hat dieser Look eine zeitlose Qualität, die auch nach einer langen Zeit nicht langweilt. So können wir die Spiele viel länger für die Spieler interessant gestalten. Fokus-Gruppen haben das gezeigt. Deswegen empfindet man auch die alten Disney-Filme noch heute als wunderschön, weil sie eben nicht so schnell von der Technik überholt werden. Es hilft uns, das Spiel am Leben zu erhalten. Außerdem kann man die Figuren viel besser optisch charakterisieren, wenn man sich nicht an die Realität halten muss.

Eurogamer: Ihr habt StarCraft Ghost ja inzwischen eingestellt. Habt Ihr denn einige Designs aus dem Spiel für StarCraft II wieder verwendet?

Samwise Didier: Vielleicht haben wir ein paar Sachen verwendet. Auf jeden Fall war es ein ähnlicher Grafikstil, den wir jetzt auch für StarCraft II verwenden. Wenn wir einige Sachen benutzt haben, dann nicht viel. Ich glaube, es waren ein paar mechanische Objekte.

Normalerweise nehmen wir nicht gern Sachen aus anderen Spielen. Wir als Designer wollen die Sachen lieber neu gestalten, als andere Designs zu nutzen. Denn selbst wenn die Designs den Blizzard-Stil haben, stammen sie aus einem anderen Spiel. Es gibt ja auch Unterschiede zwischen WarCraft und StarCraft. StarCraft ist düsterer, WarCraft bunter und farbenfroher.

Eurogamer: Würdet Ihr sagen, dass Euch der Warhammer-Stil stark beeinflusst hat? Schließlich gibt es da viele Ähnlichkeiten. Zum Beispiel die Zergs, die stark an die Tyraniden in Warhammer 40K erinnern.

Samwise Didier: Wir ziehen unsere Inspirationen von verschiedenen Spielen, Comics und Filmen. Wir verwenden eine Menge Sachen, die überall in der Science-Fiction und Fantasy-Welt zu finden ist. Natürlich macht der Gamesworkshop fantastische Sachen und es gibt auch bei uns Künstler, die darauf stehen. Doch bei so vielen Designern, die alle möglichen Bestandteile mit einfließen lassen, kann man das nicht auf eine Vorlage beschränken. Es sind nicht einzelne Elemente, die uns beeinflussen, sondern ganz verschiedene wie Matrix und Star Wars. Die Zergs ähneln ja auch den Aliens aus Starship Trooper, wozu es ja die Buchvorlage von Heinlein aus den 50er-Jahren gibt. Die Ideen kommen eben aus verschiedenen Quellen, das kann man nicht auf eine beschränken.

Eurogamer: Wann habt Ihr angefangen, das Spiel zu entwickeln?

Samwise Didier: Direkt nach dem ersten StarCraft haben wir die Arbeit an WarCraft III begonnen und direkt danach haben einige Entwickler damit begonnen, Ideen für StarCraft II zu sammeln. Während der Entwicklung von World of WarCraft haben wir aber nur ein paar Konzepte und Ideen gesammelt. Das gesamte Team, bestehend aus 40 Leuten, arbeitet erst seit ca. 2,5 Jahre daran. Dann haben wir langsam angefangen, einige Sachen zusammen zu setzen. Aber bis wir das Spiel überhaupt intern gezeigt haben, sind viele Monate vergangen. Es hat zwar schon zu diesem Zeitpunkt Spaß gemacht, aber wir wollten es erst richtig ausarbeiten, bevor wir es der Öffentlichkeit zeigen. Und das haben wir in Korea gemacht, weil dort einfach die größten StarCraft-Fans wohnen.
Eurogamer.de
 
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