Das Problem mit diesem Argument "Heilige Schriften und Mythen sind widerlegt" ist halt, dass Leute, die sowas behaupten, nicht verstanden haben worum's da geht. Ich finde es schon recht arg, wie immer wieder einfach davon ausgegangen wird, dass die Leute vor 5000 Jahren dümmer waren als heute. Glaubt ihr denn, denen war nicht klar, dass sie diese Religion bewusst erschaffen? Hey! Leute! Denen war absolut klar, dass sie selbst ihre Heiligen Schriften schreiben. Heilige Schriften (zum Teil) und vor allem Mythen sind NICHT WORTWÖRTLICH zu nehmen. Das mein ich mit plumpem Atheismus. Damit macht man nämlich genau das, was man den Fundamentalisten vorwirft. Man sollte sich mal etwas eingehender mit der ein oder anderen Mythologie befassen. Das sind vor allem Sagen und Geschichten, die sozusagen allgemeines Kulturgut waren weil die jeder kannte und mochte und die mit allegorischen Inhalten, philosophischen Ansichten, Moralvorstellungen, Gleichnissen etc. aufgeladen wurden. Man nehme sich mal das Gilgamesch-Epos als Beispiel:
Gilgamesch hat im Epos 3 große Feinde, die er bekämpft: 1. Die Götter (allegorisch für Kräfte jenseits seines Einflussbereichs bzw. höhere Autoritäten), 2. den Tod (der ewige Feind des Menschen) und 3. sich selbst (er ist ein total egozentrischer und grausamer Tyrann, bis ihm die Götter Enkidu schicken, einen gleichwertigen Gefährten, der ihm körperlich gewachsen ist und der ihn schließlich zu einem guten Herrscher macht). Natürlich stecken da auch Glaubensvorstellungen drin (die Götter, diverse Entstehungsmythen, das Weltbild der damaligen Zeit) und das ganze hat zumindest einen wahren Kern (Gilgamesch, den König von Uruk gab's ja wirklich), aber worum's wirklich geht, ist die "Moral von der Geschicht'", die ganz plump formuliert darauf hinausläuft, dass wahre Größe nicht durch persönliche Macht oder Unsterblichkeit kommt, sondern durch gute Lebensführung und charakterliche Größe. Klingt abgedroschen, aber ist der Anfang der Literatur überhaupt und wenn wir ehrlich sind, befasst sich Literatur heute noch mit denselben Themen wie vor 10.000 Jahren. DAS ist es was ich meine, wenn ich sage, dass Religion als Kulturgut wohl unersetzbar (und unwiderlegbar) ist. Das heißt nicht, dass jetzt alle an Gott glauben sollen (tu ich ja auch nicht), ganz im Gegenteil. Ich trenne Religion und Glaube. Natürlich ist Glaube ein Bestandteil von Religion (ein zum Teil nicht unerheblicher), aber Religion ist auch eine Form, gewisse Aussagen zu tätigen, die weit tiefer gehen als irgendwas Wissenschaftliches. Religion wollte immer die Welt erklären, nicht die Natur. Es ist iene Form der Philosophie. Brauch ich dazu Religion? Nein, keineswegs. Philosophie kommt auch ohne sie aus, aber Religion ist (zum Teil) eine sehr schöne Verbindung von Philosophie und Literatur. Nicht die einzige, aber meist eine sehr poetische. In diesem Sinne bin ich für Religion. Wenn Leute mit Bibel, Koran oder Tora die Natur (sprich: Evolution, Naturgesetze usw.) erklären wollen, geh ich auch auf die Barrikaden und fluche auf den verfickten Fundamentalismus, keine Frage. Religion hat in der Wissenschaft nichts zu suchen, da sind wir uns wohl einig... na ja, nicht alle, wie's scheint.
Privatreligionen sind mir deshalb um einiges suspekter als "etablierte" Religionen, weil letztere in der Regel von Leuten "erstellt" wurden, die sich was dabei gedacht haben. Da geht's nicht darum, etwas zu erklären, sondern eine gewisse Aussage zu tätigen. Beispiel: Buch Genesis sagt, Gott hat Adam geschaffen und von dem stammen alle Menschen ab. Das ist nicht bloß der Versuch einer Erklärung woher der Mensch kommt (die waren ja nicht blöd damals... dass sowas wie Inzest ziemlich doofe Folgen hat, ist keine Entdeckung der letzten 100 Jahre... wie gesagt, die Leute waren nicht dümmer vor 10.000 Jahren, vielleicht sogar intelligenter), sondern das enthält eine Aussage: Alle Menschen stammen von einem gemeinsamen Vorfahren ab, woraus folgt: Alle Menschen sind gleich. So ist das Buch Genesis sozusagen Anti-Rassismus.
Ist jetzt etwas plump runtergebrochen, aber so in die Richtung geht's. Man muss sich halt die Frage stellen, was mit diversen Aussagen vermittelt werden will. Natürlich ist das kein Freibrief, alles schönzureden. Natürlich hat Religion auch oft zu Verblendung geführt (tut's ja immer noch) und es gibt auch einige religiöse Schriften die ziemlich kacka sind.
Bei solchen Privatreligionen haben wir meist die Reinform des Todfeindes der Wissenschaft: Die Erklärungsreligion. Meist vermengt mit esoterischem Blödsinn und obendrein nicht selten mit Verschwörungstheorien. Und gerade letzteres hasse ich wie die Pest. Verschwörungstheorien sind heutzutage sowas wie "Metaphysik für Arme", wie's ein weiser Mann auszudrücken pflegte (hab leider seinen Namen vergessen). Wie gesagt, Religion als Glaube ist nicht meins. Brauch ich nicht, mag ich nicht. Ist mir zu einfach.
EDIT:
Sorry für die wenigen Absätze. Ist ein ziemlicher Klotz. Blöd zu lesen.