Urteil: Heise haftet auch ohne Kenntnis für Forenbeiträge

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www.heise.de said:
Das Hamburger Landgericht hat eine einstweilige Verfügung bestätigt, nach der es heise online verboten ist, Forenbeiträge zu verbreiten, in denen dazu aufgerufen wird, durch den massenhaften Download eines Programms den Server-Betrieb eines Unternehmens zu stören. Der Heise Zeitschriften Verlag wird damit faktisch gezwungen, sämtliche Beiträge zu den Diskussionsforen im Vorhinein auf diesen Rechtsverstoß hin zu überprüfen. Das Urteil (Az. 324 O 721/05) dürfte gravierende Auswirkungen auf den Betrieb von Webforen und vergleichbaren Diensten haben.
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Im vorliegenden Fall sahen das Unternehmen Universal Boards und dessen Geschäftsführer Mario Dolzer ihre Rechte verletzt. Einzelne Forenteilnehmer hatten im Forum zu einem Bericht über die Geschäftspraktiken von Universal Boards ein Skript veröffentlicht, das geeignet sein soll, den Betrieb von Download-Services dieses Unternehmens zu gefährden. Dessen Rechtsanwalt Bernhard Syndikus verlangte daraufhin per Abmahnung vom Verlag, es zu unterlassen, "an der Verbreitung von 'Leserkommentaren' mitzuwirken, in denen wörtlich oder sinngemäß dazu aufgerufen wird, Dateien, insbesondere das Programm 'k.exe', so oft wie möglich von den Servern meiner Mandantschaft downzuloaden, um die Server meiner Mandanten 'in die Knie zu zwingen'".

Der Verlag löschte umgehend die genannten Forenbeiträge, gab aber die geforderte Verpflichtung nicht ab, da er seiner Auffassung nach nur bei Kenntnis der potenziell rechtswidrigen Beiträge handeln muss. Daraufhin erwirkte Universal Boards eine der Unterlassungsaufforderung entsprechende einstweilige Verfügung am Landgericht Hamburg. Den Widerspruch des Verlags gegen diese Verfügung wies das Gericht nach einstündiger mündlicher Verhandlung am vergangenen Freitag ab.

Die Kammer erklärte, sie sei überzeugt, dass der Verlag allein durch die Verbreitung auch ohne Kenntnis für die im Forum geäußerten Inhalte haftbar zu machen sei. Er könne schließlich die Texte vorher automatisch oder manuell prüfen. So wie der Verlag das Forum bisher betreibe, fordere er Rechtsverletzungen sogar potenziell heraus, betonte ein Richter. Es sei nicht hinnehmbar, dass "die in ihren Rechten Verletzten Ihnen hinterherrennen müssen". Den Einwand des Verlags, dass eine automatische Filterung erwiesenermaßen nicht funktioniere und eine manuelle Prüfung jedes Beitrags angesichts von über 200.000 Postings pro Monat schlicht nicht zu leisten sei, ließ die Kammer nicht gelten.

"Sollte sich diese Rechtsprechung durchsetzen, führt das dazu, dass jeder Anbieter, der ungefiltert die Möglichkeit zu Kommentaren bietet, unmittelbar für Rechtsverstöße in den Beiträgen haftet und abgemahnt werden kann", kommentierte der Justiziar des Heise Zeitschriften Verlags, Joerg Heidrich. Davon seien nicht nur Foren, sondern auch alle anderen Web-Kommunikationsformen wie Blogs, Gästebücher oder sogar Chats betroffen. Nach Ansicht von Heidrich steht diese Rechtsprechung im klaren Widerspruch zu dem erklärten Willen des Gesetzgebers und einer EU-Richtlinie, wonach Diensteanbieter gerade nicht dazu verpflichtet seien, die von ihnen nur übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen. Auch der BGH gehe in einem Urteil zu dieser Problematik davon aus, dass ein Anbieter nur dann als Störer hafte, wenn zumutbare Kontrollmöglichkeit über die verbreiteten Inhalte bestünden.

Die Auswirkungen des Urteils auf den weiteren Betrieb der Webforen von heise online sind kaum absehbar. "Wir werden Foren schließen müssen, wenn einzelne Teilnehmer über die Stränge zu schlagen drohen, und können wohl zu brisanten Themen generell keine Diskussionsplattform mehr anbieten", sagte Chefredakteur Christian Persson. Der Heise Zeitschriften Verlag hat bereits angekündigt, nach der Zustellung der schriftlichen Urteilsbegründung Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen.

Ich will einmal sehr stark hoffen, dass das so nicht vom Oberlandesgericht oder BGH bestätigt wird (bisher hieß es ja auch immer erst ab Kenntnis), denn im Grunde wäre dass das Ende für alle offenen Foren - man müßte jeden Beitrag erst vom Moderator freischalten lassen um nicht Gefahr zu laufen verklagt zu werden.

Gleiches würde für Newskommentare und sogar Chats (!) gelten.

Ich hoffe einfach, dass eine höhere Rechtssprechungsinstanz dasanders entscheidet, denn die Auswirkungen auf das Internet wären enorm.
 
Wenn es wirklich so durchgeht, dann wäre eine Abwanderung ins Ausland die einzige Alternative zu einer permanenten Moderation (also keine realtime Beiträge mehr).
 
für mich ist der verbot von internetforen in der heutigen zeit (genau das folgt ja daraus) auch nichts anderes, als zensur pur.
 
Totale Idiotie und Zensur!

200.000 Beiträge pro Monat = 6666 Beiträge pro Tag = 4,62 Beiträge pro Minute. Soetwas
zu überprüfen ist einmal abgesehen von der Schwachsinnigkeit auch noch extrem kosten-
aufwendig, da eine automatische Überprüfung ja auch nicht legitim ist.

Wer bei solchen Dingen noch von einem Rechtstaat reden kann der leidet schlicht
und einfach unter Realitätsverlust.
 
Das witzige daran ist ja, dass das solche Leute nicht abhalten wird. Falls es über's Forum nicht, dann halt per IRC, falls das nicht geht per E-Mail, falls das nicht geht per MSN, falls das nicht geht...gibt unzählige Möglichkeiten. Im Endeffekt wird das niemanden von etwas abhalten.

Mal abwarten, sind ja noch ein paar Instanzen... und selbst wenn die anderen Gerichte die Auffassung teilen sollten ist das Risiko für dieses Forum wohl eher gering, denn dass UF ist bei weitem nicht so bekannt wie heise. Bleibt nur zu hoffen, dass die Richter in den weiteren Instanzen wissen was ein Internetforum ist und wie das funktioniert. :o
 
Tja..Richter sind ziemlich frei in ihren Entscheidungen und in den meisten Fällen ist das auch gut so.
 
@Fix: In deinem Link geht es wohl um Provider und nicht um Kunden eines Providers die ein Forum betreiben, wenn ich das richtig verstehe.
Es gab da mal eine alte Geschichte mit dem Provider Compuserve, wo ein User deren Dienste benutzte um CP zu verbreiten/anzubieten.
Compuserve wollte sich damals rauswinden indem sie plädierten das es unmöglich ist alle Useraktivitäten zu überwachen.
Das Gericht sah es aber anders und verurteilte Compuserve zu einer hohen Geldstrafe.

Zum Thema denke ich das man heute vorsichtiger denn je sein sollte was Foreninhalte betrifft.
Zum einen gibt es immer mehr Sensibelchen die jeden kleinen Sch... den sie im I-Net finden reporten und zum anderen suchen raffsüchtige Rechtsverdreher nach billigen Möglichkeiten eine gebührenpflichtige Unterlassungserklärung rauszuhauen.
Wir haben es im UF doch ganz gut gemanagt.
Unsere Forenregeln verbieten das Einstellen von rechtlich bedenklichem Zeugs und wir gehen dagegen auch vor.
Das lässt sich in vielen Threads nachvollziehen und ist im (internen) Verstöße-Forum auch beweissicher dokumentiert.
Ausserdem haben wir einen "pflegeleichten" Stamm-Poster Bestand der sich daran hält.
Also ich sehe da für's UF erstmal keine Wolken am Horizont, wenn wir unsere bisherige Linie beibehalten.

Grüße Robi
 
Jap, deshalb hab ich auch erstmal nichts hier gepostet. Welcher Verlag (Heise) wird schon von sich selbst unvoreingenommen objektive Artikel schreiben??? Warten wir erstmal ab, was überhaupt genau in der Begründung steht ;) Also erstmal ruhig bleiben und die weiteren Schritte beobachten.
 
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