dem Strafrechtler geht das Herz auf, wenn's um dieses heikle Thema geht, vor allem, wenn er ausgerechnet Experte zum Thema psyhologische Mechanismen der Strafe und Todesstrafe ist

Hab mir das jetzt eine Zeit lang durchgelesen, ohne mitzureden und wie immer kommen sehr kontroverse Beobachtungen dabei heraus, die man auch in der Gesellschaft im großen und ganzen so wiederfindet. Erstaunlich ist allerdings gerade für das UF, dass hier einige wirklich gute Beiträge dabei waren.
Ganz vorneweg der von MrYuri ( Sehr gut dargestellt und vor allem: es ist alles korrekt), aber auch lulin hat mir gefallen.
Der Rest ( Ausnahmen möglich... beziehe mich auf die letzten Eindrücke) hat Nachholbedarf in Ethik, Menschenrechten, Politik und vor allem Strafrecht^^
Nebenbemerkung: nicht jede Tötung ist ein Mord, aber nicht alles, was kein Mord ist, ist straflos.
Habt ihr euch mal gefragt, warum ihr instinktiv glaubt, Strafen wäre zu milde? Oder warum Todesstrafe für garstige Übeltäter was gutes wäre? Oder warum jemand, den ihr überhaupt nicht kennt und der euch egal sein könnte, trotzdem einfach mal den Tod verdient hat?
Fragt euch das bitte wirklich mal und ihr werdet irritiert feststellen, dass ihr nicht drauf kommt. Kaum einer kennt ein Mordopfer persönlich, aber der Schrei nach Vergeltung ist trotzdem da.. Angst vor dem Täter? Nicht wirklich.. Tief empfundenes Rachebedürfnis? Ach was... kann mir keiner weismachen.
Weil ich heute so einen schönen cw-Tag hatte, verrate ich euch, woran das liegt:
1) Es gibt nur wenige rationale Gründe, jemanden zu bestrafen. Die hierzulande vorherrschenden Theorien zur Strafzumessung lassen Raum für folgende Beweggründe:
a) Spezialprävention ( Einwirken auf den Täter)
b) Generalprävention ( Schutz der Allgemeinheit durch Abschreckung)
c) Wegschließen des Täters ( Schutz der Allgemeinheit vor einer Wiederholungstat)
d) Resozialisierung ( Läuterung des Täters, der nach der Einsicht in sein Fehlverhalten ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft wird)
Die vorherrschende Maxime im Erwachsenenstrafrecht ist die Resozialisierung, von der Täter und die Gesellschaft am meisten profitieren ( auch finanziell, da das oben mal anklang)
2) Der Ursprung des Strafbedürfnisses liegt allerdings außerhalb gesellschaftlicher Organisation. Das Gefühl für richtig und falsch werden in früher Kindheit das erste mal erfahren und auch so verstanden. Das klassische freudianische Bild des strafenden Vaters, dessen sich der Sohn entledigen will, lassen wir kurz beiseite und konzentrieren uns auf die herrschende Auffassung:
a) Jeder Mensch hat Triebe, wie z.B. den Sexual-, Aneignungs-, Aggressionstrieb. Diese Triebe werden durch die Eltern und zunehmend auch durch die Gesellschaft unterdrückt. Diese durch Normen unterdrückten Triebe sind nicht weg, sondern werden verdrängt, d.h. ins Unbewusste ausgelagert. Wo Menschen in frühester Zeit z.B. vor dem wilden Tier wegliefen, wenn sie Angst hatten, sitzen wir heute in der mündlichen Prüfung und können nicht weglaufen. Die Frau, die uns zusagt, können wir nicht nach belieben mitnehmen und schänden ohne Sanktionen befürchten zu müssen etc.
b) die unterdrückten Triebe erzeugen einen Schulddruck, der - stark ausgeprägt - zu einer Neurose führt. Daher muss eine Triebabfuhr erfolgen und dies geschieht mithilfe von Schuldprojektion auf einen anderen. In der Gesellschaft vollzieht sich dies ähnlich. Der "andere", der "schwache", der "fremde", der "Täter", der "VIP". Sie alle bieten ( vor allem durch die Medien. Zum Umgang mit diesem Thema in der Bildzeitung habe ich mal ein psychologisches Gutachten geschrieben.. wer das Ergebnis wissen will: PM) eine wunderbare Projektionsfläche.
Als in alttestamentarischen Zeiten der Schulddruck der Sippe zu groß wurde, schickten die Juden einen Bock, symbolisch beladen mit den Sünden der Sippe, zum Sterben in die Wüste. Der oben genannte Mechanismus ist daher noch heute bekannt als Sündenbockmechanismus.
Zwischenergebnis: Je lauter oder je radikaler Menschen nach harter Strafe rufen, obwohl sie hiervon persönlich nicht betroffen sind, desto größer ist ihr Bedürfnis nach Triebabfuhr.
Die Väter unserer Verfassung haben sich unter dem Eindruck des Nationalsozialismus von der Todesstrafe abgewendet. Niemandem als uns war besser bewusst, wohin es führen kann, wenn der Staat sich als Willkürherrscher aufführt und Menschen zum Objekt staatlichen Handelns macht, vor allem, indem ihnen das Menschsein an sich genommen wird.
Tötung ist immer ultima ratio... das letzte Mittel, um Gefahr abzuwenden. Diese Erkenntnis, die viel mit Menschenwürde, egal, wer dieser Mensch ist, oder was er getan hat, zu tun hat, setzt sich immer mehr durch. In den USA war die Todesstrafe vollständig abgeschafft, aber seit sie in einigen Bundesstaaten wieder eingeführt wurde, sind die hiervon bedrohten Straftaten erheblich angestiegen. Eine Abschreckung lässt sich nicht erkennen. Extreme Straftäter, die eine erhebliche Gefahr darstellen, können auch in Deutschland für immer eingesperrt werden. Ein sehr hartes Schicksal für jeden Menschen. Mehr ist aber nicht erforderlich. Es hat noch niemand einen Grund vorbringen können, warum die Tötung des Täters ( was übrigens weder etwas mit Notwehr noch mit Mord zu tun hat) etwas gutes ist. "er hat es verdient" ist nichts weiter als anmaßendes Geschwätz bzw. dumpfes Bauchgefühl. Ein Argument ist das nicht, zumal jeder wohl anders empfindet, wer wann was verdient hat. Gesetzgebung kann aus diesem Unfug heraus jedoch nicht entstehen.
Das entscheidende aber ist: Jede Tötung, außer um unmittelbar bevorstehende Schäden zu vermeiden, ist unethisch, weil dumpfes Racheverlangen.
Mit den oben dargelegten Strafzumessungsgründen hat dies jedenfalls nichts zu tun.
Saddam zum Tode zu verurteilen ist somit zwar legal, aber es bleibt Unrecht.