Ich halt mich aus diesen Wirtschaftsdiskussionen prinzipiell ja eher raus, aber hier muss ich einfach mal intervenieren, weil da inhaltlich einfach soviel falsch ist.
1) Nicht der Sozialstaat hat die Staaten finanziell in Schieflage gebracht, sondern zu einem nicht unerheblichen Anteil die Bankenrettung. Wenn der Sozialstaat an der Schuldenkrise schuld wäre, dann wäre Europa sehr sehr sehr viel schlimmer dran und die USA hätten keine Probleme. Es ist aber in Wirklichkeit eher andersrum (auch wenn Frau Merkel alles daran setzt, Europa zu ruinieren).
Das ist so nicht ganz richtig. Die Staaten haben sich auch schon vor Beginn der Finanzkrise massiv verschuldet. Natürlich gibt es Extremfälle, wie z.B. Irland, bei denen die Verschuldung mit Auftritt der Bankenkrise besonders massiv nach oben geschossen ist (darauf werde ich weiter unten nochmal eingehen), aber grundsätzlich lässt sich konstatieren, dass sehr viele Staaten in der Vergangenheit schlicht über ihre Verhältnisse gelebt haben. Da wurden mit jedem Wahlkampf neue soziale Wohltaten für die Bürger versprochen, die überhaupt nicht finanzierbar waren. Und meine Befürchtung ist, dass man anstatt sich aus dieser Spirale der Schuldenpolitik herauszubewegen und die Ausgaben auf ein Maß herunterzufahren, das bezahlbar ist, man sich einfach dazu entscheidet Geld zu drucken und die eigentlichen Probleme (und der ausufernde Sozialstaat gehört mit dazu) nicht angepackt werden. Und nein: Es ist kein Einnahmenproblem, das wir z.B. hier in Deutschland haben!! Die derzeitige Haushaltspolitik zeigt dies sehr deutlich auf: Wir haben soviele Steuereinnahmen wie bereits seit Ewigkeiten nicht mehr und was passiert? Es wird immer mehr Geld ausgegeben. Das eigentliche Problem hier in Deutschland ist, dass in den Ministerien Leute sitzen, die alle unglaublich viele "tolle" Ideen haben, wie sie Geld ausgeben können, die aber kein Interesse daran haben, drastisch einzusparen.
Abseits von dieser Schuldenspirale, die ich am Beispiel Deutschlands gezeichnet habe, gibt es aber noch eine andere Ursache für die Verschuldung europäischer Staaten: Und diese ist schlicht und ergreifend der Euro. Der Euro hat dazu geführt, dass Länder wie Griechenland sich am Kapitalmarkt plötzlich zu deutschen Konditionen refinanzieren konnten. Griechenland musste früher bis zu 20% Zinsen bezahlen, die Einführung des Euros hat dazu geführt, dass es "plötzlich" nur noch um die 2,x Prozent waren. Im gesamten Euroraum herrschte Zinskonvergenz. Griechenland hat dies aber nicht etwa dazu genutzt, Schulden abzubauen, sondern es wurde eine riesige Party gefeiert. Es gab ein Außenhandelsbilanzdefizit, es wurde mehr konsumiert als produziert und der Staatsektor wurde unglaublich aufgebläht. Die niedrigen Zinsen haben also einen Anreiz zur Verschuldung gegeben, während die nun sehr hohen Zinssätze einen Anreiz geben, endlich etwas zu verändern!
Es ist allerdings auch so, dass Länder wie Griechenland (das Paradebeispiel) durch den Euro in eine Art Zwangsjacke gesteckt wurden. Während in der Vergangenheit sich unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeiten durch die unterschiedlichen Währungen ausdrücken konnten, fiel diese Möglichkeit plötzlich weg. Es konnte nicht mehr abgewertet werden. Also hat man das "Wirtschaftwachstum" einfach jahrelang auf Pump finanziert. Vor allem auch aus Deutschland ist Geld nach Griechenland geflossen, mit welchem sie dies bewerkstelligt haben und im Übrigen auch unsere Produkte kauften. Diese Kapitalabflüsse aus Deutschland in Länder der "Peripherie" hat letztlich die wirtschaftliche Situation in Deutschland massiv verschärft: Ein nicht unerheblicher Teil unseres derzeitigen Aufschwungs ist nicht nur auf die richtigen Reformen der Agenda 2010 und eine vernünftige Krisenpolitk (Stichwort Kurzarbeit) zurückzuführen, sondern vor allem auch darauf, dass die Investoren sich nicht mehr trauen, ihr Geld ins Ausland zu tragen und es nun lieber in Deutschland angelegt wird. Dies hat zu einem regelrechten Investitionsboom geführt.
Und um nun den Bogen zu schließen, schauen wir uns mal die Bankenkrise an, welche als Argument für die derzeitige Staatsschuldenkrise häufig mit herhalten soll. In was für Produkte waren denn z.B. die irischen Banken investiert? Es ging immer um irgendwelche Immobilien. Und wo in der EU sind Immobilienblasen entstanden? Naja, z.B. in Spanien. Auch Spanien hatte vor dem Euro ein deutlich höheres Zinsniveau. Der Euro führte nun dazu, dass auch der private Sektor sich plötzlich zu sehr geringen Konditionen Geld leihen konnte. Und nun wurde fleißig gebaut, ein Haus nach dem anderen, von Leuten, die überhaupt nicht kreditwürdig waren. Die ganze weitere Spriale, die entstanden ist, und wo dann immer wieder die Argumente eines "zu liberalen Finanzmarktes", "zu wenig Regulierung", "Ratingangenturen!" und was weiß ich nicht alles ausgepackt werden, wäre ohne den Euro in dieser Form nicht möglich gewesen. Das zeigt übrigens auch sehr schön, dass es nicht ausreicht, sich nur die Verschuldung der einzelnen Staaten anzuschauen, wie es häufig gerne gemacht wird, sondern auch der private Sektor mit einbezogen werden muss. In den USA liegt die Ursache sehr ähnlich, nämlich in der Art und Weise, wie mit Konjunkturflauten umgegangen wurde (und wird). Wenns schlecht lief, wurde von der FED einfach das Zinsniveau gesenkt, um mit einer Geldschwemme die Wirtschaft zu stimulieren. Auch hier hat sich das Geld seine Anlage gesucht, was letztlich zur Folge hatte, dass Risiken falsch eingeschätzt wurden.
Das Problem der derzeitigen Staatschuldenkrise in Europa liegt sehr stark im Euro begründet. Man kann eine Amateurmanschaft nicht in der Champions-League mitspielen lassen. Man kann nicht mit einer Geldschwemme und niedrigen Zinsen (Stichwort Euro-Bonds) substantielle Probleme wie eine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit lösen. Griechenland als Extremfall muss aus der Eurozone austreten, um wieder auf die Beine kommen zu können. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie es den Griechen gelingen soll, innerhalb des Euroraums wieder wettbewerbsfäig zu werden. Dafür müssten noch viel härtere Maßnahmen getroffen werden, z.B. Lohnkürzungen von über 30%, die ich für nichts durchsetzungsfähig halte und die das Land außerdem nur noch stärker in die Rezession treiben.