Du kannst nicht mit der militärischen Macht Spaniens im 16. Jahrhundert anfangen. Die Motivation Kolonien zu gründen ist ja auch nicht aus dem Nichts geboren. Die Kreuzkriege waren vorbei und der Krieg gegen die Mauren in Spanien gewonnen. Thomas von Aqin schuf im 13. Jahrhundert die theologische Vorraussetzung für die Legitimation, den menschlichen Verstand zur Erforschung der Natur einzusetzen. Zur selben Zeit entstanden in Italien die ersten medizinischen Fakultäten, in denen Leichen geöffnet wurden. Auch die Arbeiten von Da Vinci, der ausführliche Skizzen und Zeichnungen über den Muskelaufbau, Technik und Botanik anfertigte ist zeitlich im tiefen Mittelalter anzusiedeln.
Auch Architektur und Metallurgie sind Wissenschaften. Der Dom in Aachen ist 1.200 Jahre alt. Die Anlagen in Cluny und Speyr sind nur wenig jünger. Notre Dame in Paris steht bereits seit rund 700 Jahren fertig. Die Bauten sind in ihrer Art einzigartig und für ihre Zeit neuartig. Mathematik und Statik, Materialkunde und Mechanik sind also stets gepflegt und weitergegeben wurden. Diese Forschungen wurden von Mönchen und Bischöfen finanziert und durchgeführt.
		
		
	 
Die Motivation, Kolonien zu gründen war eine wirtschaftliche. Man suchte nach Alternativen zum Handel über den Mittleren Osten. Zuerst suchte man den Seeweg nach Indien, dann, als Amerika entdeckt wurde, suchte man direkt nach neuen Bezugsquellen für Luxuswaren wie Gewürze etc. Wenn du implizieren willst, dass Kolonien aus einem Missionsgedanken hervorgegangen sind, dann liegst du falsch, da die Indianer Amerika bis ins späte 17./frühe 18. Jahrhundert nicht mal als Menschen gesehen wurden. Die galten als Zwischenstufe zwischen Menschen und Tieren und galten dementsprechend als seelenlos, waren also nicht interessant für eine Missionierung.
Ja, Thomas von Aquin schuf die theologische Legitimation, um den Verstand 
wieder zur Erforschung der Natur verwenden zu können (ist ja nicht so, dass das per se ein neues Konzept gewesen wäre). Die Sache ist halt die, dass diese theologische Legitimation ohne den wissenschaftsfeindlichen religiösen Eifer, der vorherrschte nicht notwendig gewesen wäre. Naturwissenschaftliche Forschung gab es auch schon davor im europäischen Mittelalter, nur war diese von der Kirche alles andere als gefördert. Insofern kann man diese theologische Erlaubnis, zu forschen nicht wirklich als überragende Kulturleistung des Christentums ansehen, weil das Christentum diese theologische Erlaubnis erst nötig gemacht hat.
Davon abgesehen baut die Scholastik auf Aristoteles auf, aber nicht auf griechischen Orginaltexten, sondern auf Übersetzungen arabischer Ausgaben und den Kommentaren arabischer Philosophen wie Averroes und Avicenna. Die islamische Aristoteles-Repzetion war im Mittelalter viel weiter als die europäische.
Das Sezieren von Leichen war bis weit in die Renaissance hinein noch höchst heikel und Leonardo da Vinci machte einen Großteil seiner anatomischen Studien an Leichen noch illegal und damit unter Lebensgefahr. Wäre er erwischt worden, hätte das höchstwahrscheinlich böse geendet. Und "tiefes Mittelalter" war das damals schon lange nicht mehr. Zudem baute die medizinische Entwicklung im Spätmittelalter nicht unwesentlich auf humanistische Beschäftigung mit antiken Schriften auf. Das Christentum kannst du da wenig hineinschmuggeln.
Ja Romanik und Gotik sind architektonisch Leistungen und sicherlich einzigartig, aber zur gleichen Zeit gibt es in anderen Teilen der Welt nicht weniger beeindruckende Bauwerke. Du tust grad so, als hätte man überall sonst nur Lehmhütten gehabt. Mal davon abgesehen, dass Aachen von einem weltlichen Herrscher erbaut wurde und die Romanik nicht unwesentlich auf spätantikes Know-how aufbaut.
Ich gestehe dir gerne zu, dass das christliche Abendland auch seinen Teil zum technischen Fortschritt und zur Kunst beigetragen hat; was ich dir nicht zugestehe, ist, dass die technologische Überlegenheit des Abendlandes ab ca. dem frühen 18. Jahrhundert ein Produkt christlicher Weltsicht/Gedankenwelt ist.
	
		
			
				DonQuintal said:
			
		
	
	
		
		
			Die Vorherbestimmung für das Leben und die Aussicht des jüngsten Gerichts gleichzusetzen ist Zeichen großer Unwissenheit. Aus christlicher Sicht ist das Leben nicht festgelegt. Alle Menschen stehen "am Ende" vor dem Gericht Gottes. Dabei wird an alle desselbe Maß angelegt. Das mittelalterliche Standesdenken kann man auch nicht mit dem Kastensystem in Indien vergleichen. Während hier jederman jeden Beruf erlernen darf und durfte, macht man sich in Indien angesichts der Verbreitung von Waschmaschinen Gedanken um die Kaste der Wäscher. Martin Luther war Sohn eines Kaufmanns und promovierter Theologe.
Und was ist eigentlich "Späte Neuzeit"? Die Neuzeit dauer immernoch an. Ist schon spät? Whats next? Der große Boom begann im späten Mittelalter und mündet in der Neuzeit. Und christliche Werte wurden bis Heute beibehalten. Erst jetzt werden sie zunehmend über Bord geworfen. Mit dem Ergebnis Dolly, Private Equitity und Generation Porno.
		
		
	 
Also im Mittelalter war das Jüngste Gericht nicht so fern und man lebte eher für das Jenseits als für das Diesseits. Die Barrieren zwischen den Ständen waren auch ziemlich fix abgesteckt. Du kannst mir nicht erzählen, dass ein Leibeigener werden konnte was er wollte. Aber du hast natürlich recht damit, dass die Ständegrenzen weit durchlässiger waren als die Kastengrenzen und dass die christliche Aussicht auf das Jüngste Gericht nicht mit Determinierung gleichzusetzen ist. Da gebe ich dir recht. Trotzdem ist die bürgerliche Freiheit der Berufswahl etc. ein Merkmal der städtischen Bürgerschaft und davon gab es im Mittelalter nicht so viele. Für den Großteil galt noch das Feudalsystem, das der Kirche als Lehnsherrn ganz gut behagte.
Zur "Späten Neuzeit": Ich hab das damals in der Schule als Mittelalter (Ende des Weströmischen Reiches bis Fall von Konstantinopel/Entdeckung Amerikas) - Neuzeit (Fall von Konstantinopel/Entdeckung Amerikas bis Französische Revolution) - "Neueste Zeit"/Moderne (Französische Revolution bis jetzt) gelernt. Aber ich hab mich informiert, es gibt wohl auch die Einteilung in Neuzeit von Renaissance bis heute (das, was ich als "Neuzeit" verstanden habe wäre dementsprehcen dann die "Frühe Neuzeit"). Ersetz "Späte Neuzeit" einfach durch "Ende der Frühen Neuzeit" oder durch "Ende des 17. Jh.".
"Dolly" und "Private Equitity" sagen mir leider nichts, "Generation Porno" nur zur Hälfte was. Christliche Werte waren traditionell immer auch Gefügsamkeit, Leidensfähigkeit und Unterwerfung. Sind vielen Staatsapparaten sehr entgegen gekommen. Die Frage ist, ob es für Äquivalente zu christlichen Werten das Christentum braucht. Werte sollten ihren Wert ja aus sich selbst beziehen und nicht daher, dass ein Allmächtiger sie als Werte festsetzt. Ich würde daher demokratische Grundwerte heutiger sekulärer Gesellschaften wie Gleichberechtigung, Toleranz, Freiheit nicht als christliche Werte, sondern als Werte der Aufklärung sehen. Wobei ich dem Christentum seinen Beitrag zur abendländischen Kultur und Gesellschaft nicht absprechen will. Aber das Statement, dass das christliche Abendland dem Rest der Welt durch seine Religion überlegen sein ist einfach Mummpitz.
@tezla: Bzgl. Hitler hast du natürlich recht. Ich denke, Hitler wurde eher unter dem Aspekt der "Wirkungsgeschichte" genannt, weniger dem der Wichtigkeit. Hitler hat unsere heutige Weltordnung ziemlich geprägt und das nicht nur in geopolitischer, sondern vor allem uach in kultureller Hinsicht (wenn auch durch negative "Errungenschaften"). Er war insofern durchaus einflussreich. Wichtig für die Entwicklung war er natürlich weniger... er hat die Zivilisation eher zurückversetzt.