Duisburger Ermittler konzentrieren Suche auf Mafia-Killer
Duisburg/Rom (dpa) - Bei der Aufklärung des kaltblütigen Sechsfachmordes von Duisburg konzentriert die Polizei die Suche auf zwei mutmaßliche Mafia-Killer. Nach der Veröffentlichung eines ersten Phantombildes gingen bei der Mordkommission am Freitag erste Hinweise auf weitere Verdächtige ein.
Das Phantombild der Polizei, mit dem auch die italienische Polizei nach Verdächtigen sucht, zeigt den dunkelhaarigen Fahrer des Fluchtwagens. Zu dem zweiten Verdächtigen, der mit dem Gesuchten nach der Bluttat am frühen Mittwochmorgen geflüchtet war, gibt es keine Beschreibung. Ob sich die Mafia-Killer noch in Deutschland aufhalten, ist offen, sagte ein Polizeisprecher. Ebenfalls unklar ist, ob die Täter eigens aus Italien angereist waren oder ob sie bereits länger im Ruhrgebiet lebten.
Eines der sechs Duisburger Mordopfer soll nach Berichten italienischer Medien von der italienischen Polizei überwacht worden sein. Wie die Zeitung «Corriere della Sera» berichtete, wollte der 25-jährige Marco M. in Deutschland offenbar Waffen kaufen und nach Italien schmuggeln. Er gehörte dem Clan Vottari-Pelle-Romeo im kalabrischen San Luca an. Telefonabhörungen hätten ergeben, dass er unter anderem auf der Suche nach Maschinenpistolen war, die in der Blutfehde mit dem Clan Strangio-Nirta zum Einsatz kommen sollten. Jedoch hätten die Killer in Duisburg zugeschlagen, bevor die Polizei zugreifen konnte. Einen internationalen Haftbefehl gab es nach Polizeiangaben nicht.
Marco M., der erst kürzlich nach Deutschland eingereist war, soll an der Ermordung der Ehefrau eines verfeindeten Mafia-Paten beteiligt gewesen sein. Maria Strangio, Frau des mutmaßlichen Clan-Chefs Giovanni Nirta, war im vergangenen Dezember getötet worden. Dies gilt Medienberichten zufolge bei den Ermittlern bisher als Hauptmotiv für die Bluttat. Durch den Mord war die seit 16 Jahren dauernde Fehde zwischen den Familien Strangio-Nirta und Vottari-Pelle-Romeo neu aufgeflammt. Warum Marco M. als Verdächtiger nicht in Haft saß, ist unklar. Das Innenministerium in Rom wollte sich nicht dazu äußern. Ministerpräsident Romano Prodi versicherte, die italienische Regierung habe einen «enormen Kampf» gegen das Organisierte Verbrechen begonnen.
Nach dem Mafia-Anschlag in Duisburg wird der Ruf nach einer engeren internationalen Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden immer lauter. «Die Rechtsverhältnisse der Bundesländer und der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind aufgrund politischer Defizite noch lange nicht optimal», sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, in Duisburg.
Die deutsche Ratspräsidentschaft habe die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Informationen und Daten europaweit künftig schneller ausgetauscht werden könnten. «Dies alles muss jetzt in den einzelnen Mitgliedstaaten umgesetzt werden», forderte Wendt. In Deutschland gebe es zudem das Problem, «dass 16 Bundesländer eifersüchtig über ihre Kompetenzen wachen» und einheitliche Maßstäbe für die Datenübermittlung fehlten. «So kann Föderalismus auch zum Sicherheitsrisiko werden.»
Die Duisburger Polizei geht bei dem Verbrechen von einer Blutfehde zwischen zwei Familien im kalabrischen San Luca aus. Beide Clans werden der kalabrischen Mafia 'Ndrangheta zugerechnet. Bei der nächtlichen Bluttat waren vor einem italienischen Restaurant nach einer Geburtstagsfeier sechs Männer im Alter zwischen 16 und 38 Jahren erschossen worden.
Fünf der Opfer stammten aus San Luca. Einer der getöteten Italiener, Sebastiano S., war Ende 2005 aufgrund eines italienischen Haftbefehls in Amsterdam verhaftet worden. Er wurde an Italien ausgeliefert. In den Niederlanden liefen keine Ermittlungen gegen den Mann, sagte ein Sprecher der Polizei in Amsterdam. Er soll der Wirt des Restaurants «Da Bruno» gewesen sein, in dem gefeiert wurde.
Im dem Restaurant, das früher an anderer Stelle in Duisburg geführt wurde, ist im Frühjahr 1991 der aus italienischer Haft entflohene, wegen Totschlags verurteilte Antonio G., verhaftet worden. Der in San Luca geborene Mann war der 'Ndrangheta zuzurechnen. Er hatte in Italien einen Totschlag begangen und war im Ruhrgebiet untergetaucht, wo er verschiedene Arbeitsstellen hatte. «Die Umstände der Festnahme bestätigen, dass die 'Ndrangheta Deutschland als Ruhe und Schonraum nutzt, um Angehörige aus dem Focus italienischer Strafverfolgungsorgane zu halten», erklärte die Polizei. Der getötete Sebastiano S. soll vor Jahren das «Da Bruno» übernommen haben.
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