Das ist reiner Populismus und juristisch nicht einmal im Ansatz haltbar. Steuerhinterziehungen dieser Art würden somit schwerwiegender Bestraft als der sexuelle Missbrauch von Kindern, Erpressung, Menschenraub und unzählige weitere Delikte. Das kann niemand mit einem Funken Verstand ernsthaft wollen und vertretbar begründen.
Wenn man schon keinerlei Ahnung von unserem Rechtssystem hat (Gabriel ist ja ursprünglich Berufsschullehrer, so dass das grundsätzlich noch nachvollziehbar ist), sollte man sich zumindest einmal fachlich beraten lassen, bevor man solch inkompetenten Äußerungen von sich gibt...
Gesetze kann man selbstverständlich ändern, das ist eine zentrale Aufgabe der Politik. Im Übrigen solltest du hier schon etwas genauer differenzieren: Wir sprechen von bereits sehr großen Beträgen, nämlich ab 500.000 EUR aufwärts, und nicht von einem kleinen Taschengeld. Außerdem hast du dich jetzt nur zu einem Teil des Vorschlages geäußert. Was hälst du denn von der Abschaffung von Straffreiheit bei Selbstanzeige?
Und was den Berufsschullehrer-Part anbelangt: Wenn du anfangs in deinem Post dich über Populismus beklagst, nun aber diesen Punkt anführst und gleichzeitig immer fleißig Herrn Westerwelle verteidigst, machst du dich selber etwas unglaubwürdig. Und mal so nebenbei gesagt: Ich finde es sehr positiv, dass wir mit Gabriel jemanden im Bundestag haben, der kein Jurist oder Gymnasiallehrer ist. Diese sind nämlich bereits die am stärksten vertretenden Berufsgruppen in unserem Parlament und machen dort zusammengefasst 28,8% aus.
excite|blactail said:
Jeder Steuerzahler fühlt sich doch von vorne bis hinten verarscht und genau deswegen hinterzieht er... Und ich rede hier nicht von den ganz grossen die wirklich Geld im Ueberfluss haben sondern von den mittelständischen Unternehmern die wirklich viel für ihr Geld arbeiten.
Also hier sollten wir schon ein wenig genauer differenzieren. Wenn wir uns Unternehmen anschauen, dann stellen wir z.B. fest, dass über die letzten Jahren hinweg die Belastung bei Steuern und Abgaben in erheblichen Maße zurückgegangen ist. Aber auch ansonsten finde ich die Argumentation, "man müsse ja sein Geld vor dem gefräßigen Staat in Sicherheit bringen, es sei nur Notwehr", wirklich absurd. Genauso wie ich es auch für etwas unzutreffend halte, wie camionero zu schreiben, "die würden das Geld doch eh nur zum Fenster raus schmeissen". Hier werden ein wenig die Realitäten durcheinander gebracht. Deutschland ist eines der attraktivsten Länder für Investitionen in der EU. Es gibt bei uns exzellente Rahmenbedingungen, z.B. in Form der Infrastruktur (Sicherheit, Verkehrswesen, etc). Auch das Gesundheitssystem brauch sich nicht zu verstecken. Also so extrem schlecht kann ja alles gar nicht sein, obwohl sicherlich viele Reformen anstehen, Geldverschwendung ebenfalls stattfindet und wir eine hohe Verschuldung haben.
Diejenigen, die meinen, das alles einfach nutzen zu können, daran kräftig zu verdienen, dann aber nicht ihren Beitrag leisten zu müssen, sind Sozialschmarotzer. Meiner Meinung nach ist dieses Vorgehen auch deutlich schwerer einzustufen, als z.B. die Handlung eines Hartz4-Empfängers, für den es keine Perspektive mehr gibt, und der sich sagt, "ich habe keinen Bock mehr darauf zu arbeiten" und sich die Hucke vollsäuft. Das sind die Menschen, denen wir in unserer Gesellschaft helfen müssen und die wirklich mies dran sind.
Eine kleine Anmerkung noch zum Thema Steuergerechtigkeit: Die SPD fordert unter anderem eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Angesichts der ernormen Kosten, die im Zusammenhang mit der Finanzkrise entstanden sind und des Auseinanderklaffens der Schere zwischen Arm und Reich in unserer Gesellschaft mit den damit einhergehenden Herausforderungen, halte ich das für einen sehr guten Ansatz. Ich hätte im Übrigen auch kein Problem damit, die Steuerlast in bestimmten Bereichen zu senken, ich denke da vor allem an die kalte Progression, allerdings sehe ich dafür in der aktuellen Lage 1.) keinerlei Spielraum und 2.) gibt es leider einfach Ausgabenpositionen, die eine höhere Priorität haben müssen.
Lester said:
Ich glaub nicht, dass dadurch eine Abschreckungsfunktion hervorgerufen wird. Man sieht ja auch an der Geschichte und an den USA, dass selbst die Todesstrafe die Zahl der damit bestraften Verbrechen nicht großartig abnehmen.
Also die Abschaffung der Straffreiheit bei rechtzeitiger Selbstanzeige würde denke ich durchaus Wirkung zeigen. Denn wie ich bereits oben schon schrieb, geht es hier um eine Mentalität, die bei diesen Leuten vorherrscht, nach dem Motto: "Wenn es brenzlig wird, kann ich mich ja immer noch selbst anzeigen und straffrei ausgehen." Und in der Zwischenzeit wird von Steuerparadiesen profitiert und am Kapitalmarkt kräftig Geld verdient. Und die schweizer Banken sind in ihren Geldanlagen auch nicht gerade zimperlich, vor allem die UBS spekuliert unter anderem fleißig auf Nahrungsmittel.
Ich würde die Todesstrafe aus ethischen Gründen immer ablehnen und vertrete auch genau wie du die Auffassung, dass sie keine nennenswerte Abschreckungswirkung hat. Aber im zweiten Teil des Vorschlages geht es auch um die Frage der Moral. Ich gebe dir ein Beispiel: Herr Zumwinkel wurde im Zuge der bei ihm aufgedeckten Steuerhinterziehung zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Diese sitzt er standesgemäß in seiner Burg am Gardasee ab. Ist das verhältnismäßig? Was für eine Wirkung hat das auf Ottonormal-Bürger? Personen, die in unserer Gesellschaft über ein hohes Vermögen und / oder eine hohe Position verfügen, tragen auch eine größere Verantwortung für das Gemeinwohl. Sei es nun bei der Höhe der Steuern, die sie relativ zu zahlen haben oder als Vorbildfunktion. Und dementsprechend müssen in diesem Kontext auch angemessene Strafen verhängt werden, die plausibel erscheinen - das ist eine Frage der Gerechtigkeit!
@Touji
Stimme dir zu und habe die Reportage zu diesem Vorfall ebenfalls gesehen. Es gibt da sicherlich noch so einige Baustellen.