Natürlich widerspricht sich die Bibel, das ist Absicht. Denk mal darüber nach, was die Bibel genau ist:
Sie ist kein einheitliches religiöses Dogma. (anders als z.B. die Tora, die ja "das Gesetz" sind)
Sie ist NICHT das Wort Gottes. (anders als z.B. der Koran, der ist per Definition von Gott so diktiert worden)
Sie wird nicht umsonst in 2 Testamente unterteilt:
Altes Testament: Sammlung jüdischer Schriften, die Mythologie, literarische Geschichtsschreibung, Weisheiten, religiöse Schriften und philosophische Schriften umfassen. Kurzum: Ein Überblick über jüdische Kultur und ihre Entwicklung.
Neues Testament: Sammlung christlicher Texte, wobei es keinen definitiven crhistlichen Grundtext gibt, sondern verschiedene Texte über das Christentum.
Die Bibel sollte primär nicht die christliche Lehre per se sein, sondern eine Art Begleitbuch, das die kulturellen und religiösen Ursprünge und die verschiedenen Sichtweisen, sowie die Entwicklungen innerhalb des Christentums über die Jahrhunderte zeigt. Schon mal darüber nachgedacht, wieso es 4 Evangelien gibt, statt einem?!
Ist schon lustig, einerseits maulen alle, dass die Bibel so ein blödes, einheitliches, vorgeschriebenes Dogma ist, das kein Andersdenken zulässt, andererseits kritisieren dann alle, dass sie sich widerspricht.
Zur Genesis-Frage mit dem bestrafenden Gott... Die Geschichte mit Adam und Eva ist jüdische Mythologie. Die Israeliten damals haben das auch nicht wörtlich verstanden (wie kann jemand bitteschön ernsthaft glauben, dass alle Menschen der Welt aus einem paar hervorgeht). Es ging mehr um folgendes Problem:
Die Israeliten waren damals im babylonischen Exil. Sie fürchteten, dass die nachkommenden Generationen, die israelitische Kultur vergessen und sich der moderneren babylonischen Kultur zuwenden würden, also wollten sie ihre Kultur schriftlich festhalten. Das Problem war aber foglendes: Wie sollten sie ihren Glauben rechtfertigen? In der Antike war es so: Bekämpften sich 2 Parteien mit unterschiedlichen Göttern, so war der Gott, dessen Partei unterlag, wohl offensichtlich entweder schwächer oder einfach nicht existent, wie also sollte sie nach der Unterwerfung durch die Baylonier ihren Glauben rechtfertigen?! Man bedient sich eine theologischen Kunstgriffes und sagt: "Diese ganzen Götter der Babylonier sind Götzen, denn unser Gott ist mächtiger, denn er hat alles geschaffen und ist allmächtig. Wir sind unterworfen worden, weil unser Gott das so vorgesehen hat und er uns irgendwan nwieder zurück ins gelobte Land führen wird." Dass der Gott über allem stand udn alles geschaffen hat, war damals nämlich nicht so Gang und Gebe. In der Antike waren selbst die Götter in den Kosmos, also die allumfassende höhere Ordnung eingebunden. Die Israeliten haben das umgedreht und gesagt, die höchste Ordnung ist die höchste Ordnung, weil unser Gott, der Höchste und Einzige von allen, sie so bestimmt. Darum wurde auch die Geschichte von Moses und dem Auszug aus Ägypten geschrieben, als Perspektive auf eine Rückkehr nach Palästina irgendwann mal.
Nun stellte sich aber die Frage: Wenn Gott den Menschen und alles geschaffen hat, wieso gibt es dann das Böse auf Erden? Wieso schafft Gott den Menschen als ein Wesen, das Böse ist? Die Antwort: Gott hat den Menschen nicht als bösen Menschen geschaffen, sondern der Mensch hat sich aus seinem eigenen Antrieb, aus seiner Freiheit heraus für das Wissen um Gut und Böse entschieden. Damit ist zum einen das theologisch Dilemma gelöst und zum anderen eine wichtige Aussage gemacht: Der Mensch ist für seine Taten selbst verantwortlich. in der Antike war es nämlich so, dass das Schicksal des Menschen bestimmt war vom Kosmos und er im Grunde keinerlei Freiheit hat (darum auch die ganzen tragischen Helden in der griechischen Mythologie, die gegen das Schicksal ankämpfen aber immer unterliegen).
Eine sehr interessante Interpretation der Genesis-Geschichte hat Kant gemacht:
Vor dem "Sündenfall" lebte der Mensch als Teil der Natur mit dieser im Einklang, Gut und Böse existierte für ihn nicht. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass der Mensch zu diesem Zeitpunkt ein Tier war. Erst durch das Ergreifen der Freiheit im Allgemeinen und der, zwischen Gut und Böse zu wählen im Speziellen wurde er zum Menschen, denn nur der Mensch kann gut oder böse sein.
So, das ist jetzt ein ganz schöner Roman geworden... ich hoffe, dem ein oder anderen ist ein Licht aufgegangen.