Wenn der ICE - womöglich auf hochgestellten Gleisen - mit 250 Stundenkilometern durch das Neckartal und das Filstal braust, wird weit mehr Landschaft zerstört als durch einen unterirdischen Bahnhof. Die betroffenen Bürger werden viel stärker gestört sein als bei "Stuttgart 21", und dies nicht nur während der Bauzeit, sondern auf immer. Und die "Anlieger" in Untertürkheim, Esslingen und an der Fils werden mit Recht fragen, warum man jene donnernden Züge nicht in Tunnel gesteckt und entlang der - ohnehin lauten - Autobahntrasse nach Ulm habe rasen lassen. Betroffenheit ist kompliziert, auch - oder gerade - in einer demokratischen Gesellschaft.
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"Stuttgart 21" macht Stuttgart größer, nicht nur ökonomisch, auch real. Die Bahn samt ihren Gleisen verschwindet aus dem Tal. Man kann herumlaufen. Die Tunnel werden, verkehrstechnisch gesehen, die "Großstadt im Kessel" ebener machen. Warum also demonstriert man wegen der Kosten, die ganz überwiegend andere tragen und die per saldo den Stuttgartern auf Jahrzehnte nützen werden?
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Die Frage ist: In welchem Stuttgart leben die Kinder und Enkel? Was kann man in ihrem Sinne mit den grässlichsten 100 Hektar Stuttgarts machen? Darf es vielleicht etwas mehr Park sein als jene zwanzig zusätzlichen Hektar, welche die Planer derzeit vorgesehen haben? Wie kann man erreichen, dass statt der Gleise offene Quartiere entstehen, in denen Menschen sich gerne bewegen oder wohnen? Leider hat man am Bahnhof in den letzten Jahren Gebäude errichtet, die "Kälte ausstrahlen" und "Menschen vor den Kopf stoßen", wie in dieser Zeitung der Stuttgarter Verleger Michael Klett beklagte: "Ein Horror!".
Aber "Stuttgart 21" muss nicht so aussehen. Es bietet, wie der Blick auf die graubraunen Gleisflächen zeigt, gewaltige Möglichkeiten, die Stadt schöner zu machen. Hier liegen für die "Betroffenen" in Stuttgart - gerade wenn sie an die kommenden Generationen denken - die richtigen, wichtigen Fragen der Zukunft. Sie treffen und betreffen die Stadt weit mehr als die Milliarden, die Bahn, Bund oder Land in die Stadt am Nesenbach investieren. Es gibt Baulärm und Ärger und Unbequemes. Aber es gibt auch Zukunft am Schlossgarten.