Ich denke der Kern in der Auseinandersetzung mit Santa liegt woanders. Er bekundet doch kurz vorher, gar keine Meinung zu dem Thema geäußert zu haben sondern lediglich Stellung gegen die vermeintliche Anmaßung Gummibärs bezogen zu haben, einen allgemeinen Konsens über "Gut und Böse / Naturrecht" aus seiner subjektiven Empfindung hierfür abzuleiten. Ferner erwähnte er, dass er Mitglied von amnesty international sei, was das Einsetzen gegen unmenschliche Umgangsformen von Staaten wohl impliziert.
Umso verwunderlicher finde ich dann aber die Bezeichnung von Menschenrechten als Fußnote der Geschichte (Alter: 50 Jahre). Warum sich bei AI engagieren, aber nicht an einen Konsens von ethischen Grundsätzen glauben? AI mahnt China und viele andere Staaten doch regelmäßig an, inhuman zu handeln ( Folter, Todesstrafe, Freiheitsrechte etc..). Ist das dann nicht auch anmaßend?
Es ist übrigens typisch, gerade für die, die sich ein wenig mit solchen Themen beschäftigt haben, aber keine tiefen philosophischen Kenntnisse haben, auch das naheliegendste im Drang nach unendlicher Abstrahierung in Frage zu stellen. Das würde ich als geradezu technokratisch bezeichnen, da es keinesfalls richtig ist, dass allgemeines und absolutes nur im Bereich von Naturgesetzen bzw. Naturwissenschaften gilt. Die Ethik als ein Teilgebiet der Philosophie beantwortet abstrakt und allgemein die Frage nach dem "Was ist gut?". Aristoteles verwirft z.B. die Ideenlehre des Platon mit dem Verweis darauf, dass die Idee bzw. die Entität letztlich ein Akzidens des Seienden wäre und relatives, angewiesenes keine allgemeine Aussage über das "Gut" an sich geben könne.
Die Menschenrechte gibt es nicht erst seit gestern oder seit 50 Jahren. Konkret seit Ende des 18. Jahrhunderts, aber in Teilen - nur nicht in einer solchen Kodifikation manifestiert - bereits seit Tausenden von Jahren. So gibt es z.B. einen weltweiten Konsens, dass das Töten von anderen Menschen nur unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt sein kann, sonst aber Unrecht ist. Und auch wenn die subjektive Empfindung einer - oft entmenschlichten und degenerierten - Minderheit gelegentlich Folter, Verschleppung oder massenweise Tötung anders beurteilt, wird daraus noch kein zu differenzierender Sachverhalt, nur weil es kein von Grund auf existierendes Naturgesetz hierzu gibt.
Dieser Versuch der Abstrahierung führt aber eben - und das ist das wesentliche - zur von Osbes angesprochenen Untätigkeit im Unrecht. Um das Böse zu ermöglichen, reicht es aber bereits völlig aus, das Gute nicht zu tun. Wir leben in der westlichen Welt, der eine in diesem, der andere in jenem Land, nunmal mit einer kulturgeschichtlichen Entwicklung über Tausende von Jahren, die das Rechts- und Unrechtsbewusstsein der Mehrheit geprägt hat.
Und wenn man schon bei Greenpeace und AI aktiv ist, kann man die vermeintliche Arroganz, eigene Maßstäbe auf die Allgemeinheit projizieren zu wollen, trotz widerstrebender Gedanken auch mal runterschlucken, wenn am Ende letztlich die richtige Auffassung gefunden wurde, nämlich, dass es Unrecht ist, wie China mit dem tibetischen Volk umgeht.
Ob Sport oder Wirtschaft mit diesem Thema zu konfrontieren sind, ist wieder eine andere Frage, hat aber etwas mit Engagement und Anstand zu tun. Wenn die Bundesrepublik Simbabwe mit Panzern beliefern würde und hierdurch 5000 Arbeitsplätze mit der Folge von 5000 glücklichen Familien mit lachenden Kindern schaffen würde, wäre es trotzdem Unrecht. Ein ( von mir aus nach hiesiger Auffassung so bezeichnetes ) Unrechtsregime zu unterstützen lässt sich eben nicht differenziert betrachten. Entweder man unterstützt das Unrecht und liefert die Waffen oder man tut es nicht.
Sport, Wirtschaft und Politik sind allesamt Teil eines soziokulturellen Miteinanders. Wenn Sportler die Möglichkeit haben, ein Zeichen zu setzen, ist das - wie ich finde - eine gute Sache. Ob das etwa beim Einzug bei der olympischen Eröffnungsfeier eine Armbinde ist oder der Boykott der Spiele selbst, sei dahingestellt. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber eine isolierte Betrachtung nur des sportlichen Events an sich ist ein wenig blauäugig und gefährlich. Insofern ist der Olympia 36-Vergleich zwar überspitzt, aber zutreffend.
Eine internationale Veranstaltung hebt das Prestige des Staates, in dem sie stattfindet. Und auch, wenn hierdurch das von MrYuri angesprochene Hinlenken auf die Problematik sogar verstärkt wird, bin ich nicht der Meinung, dass es gerade deshalb gut ist. Es gewinnt nämlich immer das politische System des Landes. Auch wenn als ätzende Begleiterscheinung mal ein Pressebericht über die Hintergründe des Landes lanciert wird, dominiert immer die Normalität des Sportes. Wer wann wodrin welche Medaille gewonnen hat etc...
In der Nachbetrachtung wird dann da stehen WCG im Jahr Xy...... im Land a, b, c, d, e und im jahr XYZ: China. Mehr nicht. Die Chance, ein Zeichen zu setzen und gegenüber diesem Land und auch allen anderen Ländern gegenüber klarzustellen, dass die Völkergemeinschaft NICHT den Mund hält, weil es gerade vorrangig um Wirtschaft oder Sport geht, übt Druck aus und schärft das Bewusstsein für einen humanen Umgang miteinander.