- Joined
- Jun 10, 2003
- Messages
- 1,749
- Reaction score
- 0
die folgende rückschau stammt aus des heutigen tags frankfurter allgemeiner und trifft die lage des kinos allemal des amerikanischen mainstreams sehr gut
Tauchen mußt du lernen
Aprèslude aufs Kinojahr 2003
Seien wir ehrlich: Es ging im "Herrn der Ringe" nie um eine Geschichte. Es ging um eine Welt. Deshalb ist es auch völlig gleichgültig, welche Episoden Peter Jackson in seiner Verfilmung der Romantrilogie weggelassen und welche Bilder er hinzuerfunden hat oder ob seine Schlachtengemälde aus J.R.R. Tolkiens Fantasy-Mittelalter der historischen Wahrheit entsprechen. Wichtig ist, daß wir eintauchen konnten - in ein komplexes, autonomes, nach allen Seiten hin abgedichtetes Ganzes, in eine vollendete Simulation. In diesem Sinne war 2003 ein durchaus typisches Kinojahr.
Denn schon seit einiger Zeit, spätestens seit dem Überraschungserfolg des ersten "Matrix"-Films, geht es auf der Leinwand immer weniger darum, ein Fenster zur Wirklichkeit aufzureißen. Das Ziel der filmischen Anstrengung, bei Jackson und den Wachowski-Brüdern wie in "Piraten der Karibik", "X-Men 2" oder den Pixar-Filmen à la "Findet Nemo", liegt vielmehr darin, dieses Fenster so gut wie möglich gegen alle äußeren Einflüsse abzudichten. Zur Perfektion getrieben wird dieser kollektive Autismus in der Adaption von Tolkiens Saga, die selbst schon ein Gegen-Idyll zu den Realitäten der Weltwirtschaftskrise und des Zweiten Weltkriegs war. Im Rückblick wird man die Kinozeit, in der wir leben, einmal ebenso mit dem "Herrn der Ringe" identifizieren, wie wir die späten fünfziger und frühen sechziger Jahre durch die Brille von Monumentalfilmen wie "Ben Hur" und "Cleopatra" betrachten. Damals ging ein altes Modell der Produktion von Filmbildern zu Ende, heute erreicht ein neues seinen Zenit - das digital aufgerüstete Blockbusterkino als Maschine der totalen Immersion.
Aber mit der Macht des Apparats wachsen auch die Gegenkräfte, die zentrifugalen Bewegungen. Es gibt die Dogma-Gemeinde, die nach ihrem öffentlich verkündeten Ende lebendiger wirkt denn je, es gibt die kleineren Filmmächte Hongkong und Bollywood, und es gibt das Kino der islamischen Welt, vor allem des Iran, das sich im Herzen einer bilderfeindlichen Ideologie behauptet und ausbreitet. Noch stärker aber als solche Außenseiter wirkt die Sprengkraft des Digitalen selbst. Zwischen drei und vier Milliarden Dollar, vorsichtig geschätzt, sind der Filmindustrie im vergangenen Jahr an Einnahmen durch Raubkopien und illegale Downloads aus dem Internet entgangen. Dieselbe Technik, die den Monsterarmeen des "Herrn der Ringe" auf die Sprünge hilft, hebt seine Produktionsbasis aus den Angeln. Wenn das System nicht an sich selbst kaputtgehen soll, muß es sich immer weiter abschotten - oder sich wieder zu der wirklichen Welt hin öffnen, die es so effektiv verdrängt.
ANDREAS KILB
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.01.2004, Nr. 6 / Seite 37
ja wenn die filmkunst sich wieder mit der wirklichkeit befassen würde und nicht nur befriedigung aus der kreation eigener umso belangloserer welten zu ziehen wäre viel gewonnen ja man könnte sogar mal wieder den intellekt einschalten während man ein hollywoodprodukt ansieht doch vielleicht ist gerade das die crux denn die tumbe masse verzichtet doch nur zu gern auf selbigen
Tauchen mußt du lernen
Aprèslude aufs Kinojahr 2003
Seien wir ehrlich: Es ging im "Herrn der Ringe" nie um eine Geschichte. Es ging um eine Welt. Deshalb ist es auch völlig gleichgültig, welche Episoden Peter Jackson in seiner Verfilmung der Romantrilogie weggelassen und welche Bilder er hinzuerfunden hat oder ob seine Schlachtengemälde aus J.R.R. Tolkiens Fantasy-Mittelalter der historischen Wahrheit entsprechen. Wichtig ist, daß wir eintauchen konnten - in ein komplexes, autonomes, nach allen Seiten hin abgedichtetes Ganzes, in eine vollendete Simulation. In diesem Sinne war 2003 ein durchaus typisches Kinojahr.
Denn schon seit einiger Zeit, spätestens seit dem Überraschungserfolg des ersten "Matrix"-Films, geht es auf der Leinwand immer weniger darum, ein Fenster zur Wirklichkeit aufzureißen. Das Ziel der filmischen Anstrengung, bei Jackson und den Wachowski-Brüdern wie in "Piraten der Karibik", "X-Men 2" oder den Pixar-Filmen à la "Findet Nemo", liegt vielmehr darin, dieses Fenster so gut wie möglich gegen alle äußeren Einflüsse abzudichten. Zur Perfektion getrieben wird dieser kollektive Autismus in der Adaption von Tolkiens Saga, die selbst schon ein Gegen-Idyll zu den Realitäten der Weltwirtschaftskrise und des Zweiten Weltkriegs war. Im Rückblick wird man die Kinozeit, in der wir leben, einmal ebenso mit dem "Herrn der Ringe" identifizieren, wie wir die späten fünfziger und frühen sechziger Jahre durch die Brille von Monumentalfilmen wie "Ben Hur" und "Cleopatra" betrachten. Damals ging ein altes Modell der Produktion von Filmbildern zu Ende, heute erreicht ein neues seinen Zenit - das digital aufgerüstete Blockbusterkino als Maschine der totalen Immersion.
Aber mit der Macht des Apparats wachsen auch die Gegenkräfte, die zentrifugalen Bewegungen. Es gibt die Dogma-Gemeinde, die nach ihrem öffentlich verkündeten Ende lebendiger wirkt denn je, es gibt die kleineren Filmmächte Hongkong und Bollywood, und es gibt das Kino der islamischen Welt, vor allem des Iran, das sich im Herzen einer bilderfeindlichen Ideologie behauptet und ausbreitet. Noch stärker aber als solche Außenseiter wirkt die Sprengkraft des Digitalen selbst. Zwischen drei und vier Milliarden Dollar, vorsichtig geschätzt, sind der Filmindustrie im vergangenen Jahr an Einnahmen durch Raubkopien und illegale Downloads aus dem Internet entgangen. Dieselbe Technik, die den Monsterarmeen des "Herrn der Ringe" auf die Sprünge hilft, hebt seine Produktionsbasis aus den Angeln. Wenn das System nicht an sich selbst kaputtgehen soll, muß es sich immer weiter abschotten - oder sich wieder zu der wirklichen Welt hin öffnen, die es so effektiv verdrängt.
ANDREAS KILB
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.01.2004, Nr. 6 / Seite 37
ja wenn die filmkunst sich wieder mit der wirklichkeit befassen würde und nicht nur befriedigung aus der kreation eigener umso belangloserer welten zu ziehen wäre viel gewonnen ja man könnte sogar mal wieder den intellekt einschalten während man ein hollywoodprodukt ansieht doch vielleicht ist gerade das die crux denn die tumbe masse verzichtet doch nur zu gern auf selbigen