Ich geb dir recht, man muss aber fairerweise auch sagen, dass die PKK Erdogan in die Hände gespielt hat mit dem Mord an den beiden Polizisten nach dem Anschlag in Suruc. Da haben sie sich provozieren lassen, was genau das Ziel des Anschlages war. So kann Erdogan sich als Opfer und die PKK als Aggressor und Terroristen hinstellen.
Die Amis wissen übrigens sehr wohl, dass die Türkei die einzige Streitmacht bekämpft, die derzeit erfolgreich gegen den IS kämpft.
Das hat aber auch mit der Luftunterstzüung durch die Koalition zu tun. Die ganzen Gebietsgewinne der vergangenen Wochen und Monate kommen daher, dass die Kurden die mürbe gebombten IS-Stellungen gut überrennen und so das Gebiet dauerhaft befreien und besetzen können.
Die USA wollen den IS besiegen und setzen deshalb auf folgende Überlegung:
Vom Stützpunkt Incirlik aus können die Amis sicher zehnmal so effizient bomben wie bisher. Vor allem können sie von da aus nicht nur Langstrecken-Bombardements wie derzeit von Jordanien oder Saudi-Arabien aus fliegen, sondern auch Nahunterstützung durch die vielgepriesenen und von jedem US-Soldaten heiß geliebten A-10, deren Einsatzradius 1.030 km beträgt (zwischen Incirlik und der IS-Hauptstadt Raqqa liegen nur 350 km Luftlinie). Das ist genau die Art von Luftunterstützung, die die Kurden sich wünschen.
Die Amis kalkulieren also: Ok, soll Erdogan seinen Scheiß machen und glauben, er hilft dem IS... wenn wir dafür den Kurden so gut helfen können, dass sie trotz Türkei Ende des Jahres in Raqqa ihre Siegesparty feiern können (den Zeitplan saug ich mir nur zur Veranschaulichung aus den Fingern).
Gleichzeitig kann Erdogan nicht auf Vollgas-Krieg gegen die Kurden schalten, weil die europäischen Staaten ihn quasi als böser Bulle blockieren, nicht als EU aber über die NATO.
Erdogan kann nur darauf hoffen, dass er die Kurden an der Grenze so sehr schwächen kann, dass der IS Grenzübergänge - vor allem Tel Abyad - wieder zurückerobern kann und so wieder Luft kriegt.
Es ist also alles ein großes strategisches Wettrennen und es schaut prinzipiell nicht schlecht aus für die Anti-IS-Koalition. Denn der IS wird allerorts aufgerieben derzeit und muss an mehreren extrem wichtigen Fronten kämpfen:
- nördlich von Raqqa, wo die YPG langsam näher rückt
- bei Palmyra, auf das die syrische Armee Assads gerade wieder vorrückt
- in Ramadi, wo die iraqische Armee vorrückt
Das ist natürlich alles kein Zufall, gerade im Irak und in Nordsyrien nicht, sondern Strategie.
Erdogan hat insofern verloren, als er im Parlament eine starke Opposition sitzen hat und nicht mehr einfach so schalten und walten kann, deshalb auch die Provokation zur gewaltsamen Eskalation mit der PKK, weil das die einzige Chance ist, den Untergang des IS noch irgendwie zu bremsen. Es ist aber auf längere Sicht momentan ein relativ verlorener Posten, tbh.
Die Amis haben sich das ganze schon ziemlich gut durchgerechnet und abgewägt, bevor sie Erdogan die Kurden angreifen lassen.
Für die Kurden dort ist es derzeit natürlich ziemlich scheiße, keine Frage. Aber die PKK kommt da schon durch, die haben schon ganz anderes überstanden.