*fg* hab was schööönes gefunden. *reusper äheemm*
ok.
man lese, lerne und staune:
Zum Begriff der Verantwortung
Rein sprachgeschichtlich muß klar sein, daß wir ein Wort gebrauchen,das Descartes und erst recht Augustinus fremd war. Das frz. responsabilité ist erstseit dem 18 Jh. in Gebrauch, als es aus dem englischen übernommen wurde. DieKonstruktion des Wortes responsabilitas als Nominalform zu respondere ist freilich recht naheliegend (das entspr. arabische mas'ulia wird aus dem Verb sa'ala für'fragen' gewonnen). Gegenüber traditionelleren Gefühlen wie Schuld, Gewissen, Sorge (die sich denn auch bei Heidegger wiederfinden, der bekanntlich ein sehr guter Kennerdes Augustinus war) und Disziplin, Pflicht, Haftung, Ehrbarkeit, Sittlichkeit, die alle mehr oder weniger privat oder in Zwiesprache mitdem Schöpfer empfunden werden können, scheint Verantwortung eine wesentlichZwischenmenschliche, soziale Ebene zur Grundlage zu nehmen.
Genauso wie sich Antworten zu einer Frage verhält, steht auch das Ver-antworten zu einer Anschuldigung. Grimms Wörterbuch bestimmt 'verantworten' noch als 'verstärktes Antworten', etwa in juristischen Kontexten. So wie das Antworten auf eine Frage (im Gegensatz zur Zurückweisung) ihre Akzeptierung bedeutet, bedeutet Verantwortung auch gemäß dieser Begrifflichkeit bereits ein Anerkennen der Schuldfrage.
Wäre Verantworten allerdings nur ein Antworten, so ginge ihm die Spontaneität bzw. Freiheit ab: Denn Antworten ist, allgemein gefaßt, reagieren.
Zur logischen Struktur
Zur logischen Struktur der Verantwortung läßt sich sagen, daß das Verb'verantworten' wenigstens transitiv ist, aber eine Vielzahl anderer Parameter zuläßt.
Jemand verantwortet qua Inhaber einer Rolle eine Tat vor einem oder mehreren anderen.
Der Verantwortliche
Dabei kann zunächst der Verantwortungsträger eineaktive Rolle spielen, indem er Verantwortung trägt oder übernimmt, aber auch eine passive, indem er zur Verantwortung gezogen wird. Dem entspricht der Unterschied zwischen einer Verantwortungsübernahme vor oder nach Eintreten vonFolgen einer Entscheidung. Prägnanter kann dieser Unterschied noch durch dasBegriffspaar Risikoübernahme vs. Rechenschaftspflicht ausgedrückt werden.
Wird Verantwortung übernommen, somuß dies nicht nur durch (im Prinzip freie) Entscheidung, sondern auch gewissermaßen aufrichtig geschehen. Insbesondere wer Verantwortung im vorhinein,für etwas erst zu erledigendes, übernimmt, muß das zu verantwortendeals 'seine' Angelegenheit betrachten wollen. Man könnte dies etwa eineverantwortliche Gesinnung nennen. Die vorgängige Verantwortungsübernahme soll hier im Vordergrund stehen.
Wenn wir primär an die Rechtsverhältnisse denken, dann hat (...) der Begriff der Verantwortung eine doppelte Verengung, die nicht den Verantwortungsbegriff als solchen bestimmen sollte (Schäfer p. 84).
(Diese doppelte Verengung ist: (1) Verantwortung basiere auf festgesetzten Normen, (2) Verantwortung ergebe sich nur im Nachhinein.)
Der von uns gefßte Begriff läßt sich präziser 'Verbindlichkeit' nennen. Verbindlichkeit ensteht also zunächst dort, wo Menschen sich Entscheidungen zu eigen machen. Nur dort allerdings impliziert sie die Einheit eines die Entscheidungfällenden menschlichen Subjekts.
Die Rede von Verantwortung [verlangt] immer den Bezug auf ein autonomes Subjekt (Schäfer p. 89).
Daß sich Menschen eine Entscheidungderart zu eigen machen, ist allerdings nur Voraussetzung dafür, daß von ihnen erwartet werden kann, ihre anderen Eigeninteressen 'gegenüber den berechtigten Interessen Dritter oder auch allgemeinen ethischen Normen zurückstellen' (F-X Kaufmann p. 79). Kollektive Verantwortung (als von Institutionengetragen) entsteht erst dort, wo Menschen sie dritten zuschreiben.Die zugeschriebene Verantwortung ist im wesentlichen solche in juristischem Sinne. (mehr personell zugeschrieben wird etwa Schuld; Verantwortung können nicht zuletztjuristisch per Gefährdungshaftung alle Arten von nichtpersonellen Entscheidern tragen.)
Interessant ist auch der Gedanke, der offenbar bei Georg Picht zu finden ist, daß der Adressat der Verantwortung erst durch 'die Aufgaben, die die Geschichte stellt', konstutuiert werde (Wahrheit, Vernunft, Verantwortung, pp. 300ff.).
Rollenverantwortung
Daß Menschennur als Inhaber einer gewissen Rolle Verantwortung tragen würden, läßtsich nicht sagen, wohl aber kann Verantwortung ausschließlich aus einem Rollenverständnis getragen oder zugeschrieben werden. Soziale Rollen scheinennicht nur durch Muster von Rechten und Pflichten definierbar zu sein, sondernauch oder nur durch Zuschreibungsmuster von Verantwortungen. Von Inhabern sogenannterverantwortungsvoller Posten wird oft gerade erwartet, daß sie nicht einevorher bekannte Pflicht erfüllen, sondern daß sie in der Lage sind,eigenständig in Fragen zu entscheiden, deren Folgen sie nicht alleine zutragen haben. Das Gegenstück zur Verantwortung ist somit: Vertrauen. Zumeinem wird Verantwortung aus Vertrauen übertragen und aus Mißtrauen entzogen,zum anderen wird ein Handelnder dann zur Verantwortung gezogen, wenn seine HandlungenFolgen für andere haben, er also quasi 'für die anderen mitentschieden' hatohne deren volles Vertrauen zu genießen.An diesem Verhältnis wird auch deutlich, warum Verantwortung oft gerade nichtMenschen als Individuen übergeben wird, sondern ausschließlich als Inhaberbestimmter Rollen. Von Ärzten und Anwälten pflegt man eine verantwortlicheAusübung ihrer Profession zu erwarten, ohne etwas über sie 'als Menschen' wissen zu müssen. Besonders bedeutsam ist dies für den allerorten prophezeitene-Commerce via Internet, zu dessen Abwicklung sich Firmen anbieten, die nichts als ihrenVertrauenswürdigen Namen bieten, und somit auch Verantwortung für etwaigen Betrug übernehmen, der in diesem Namen geschieht. Selbstverständlich ist hier nichtmehr eine einzige Person Vertrauens- bzw. Verantwortungsträger.
... so zeigt sich, daß sich das Vertrauen in der Regel primär auf eine bestimmteOrganisation (...) bezieht. Erst sekundär bezieht sich das Vertrauen auf die diejengePerson, mit der man es zu tun hat, und die von der Organisation mit der Erbringung bestimmterLeistungen beauftragt bzw. ermächtigt worden sind (F. X. Kaufmann p. 83).
Zum sog. Systemvertrauen: Luhmann, Vertrauen, 1968.
Soziale Rollen können zudem auch Verantwortung für die Taten andererMenschen mit sich bringen, etwa von Untergebenen. In solchen Fällen ist auch der Gegenstand, der verantwortet wird, nicht unmittelbar eine Entscheidung des Verantwortlichen.
Das Verantwortete
Daß Verantwortung wesentlich Verantwortung für etwas anderes ist, stelltHans Jonas in den Vordergrund, indem er definiert:
Verantwortung ist die als Pflicht anerkannte Sorge um ein anderes Sein, die bei Bedrohung seiner Verletzlichkeit zur 'Besorgnis' wird (p. 391)
Die 'Sorge um ein anderes Sein' muß hier vielleicht nicht wörtlicher genommenwerden als die 'Bedrohung der Verletzlichkeit'. Auffällig ist aber, daß Jonasan Objektstelle offenbar nur anderes 'Sein' zuläßt, was zumindest eine eigenwilligeSprachregelung darstellt. Statt für seiende Dinge Verantwortung zu übernehmenund übertragen tut man dies viel natürlicher und häufiger für Entscheidungen. Es sind dies aber verschiedene Arten, von Verantwortung zu reden: Jonasgebraucht 'Verantwortung' wie 'Liebe' oder 'Fürsorge'. Wenn nach diesem Verständnis jemand für seine Kinder verantwortlich ist, so heißt das, er ist an ihrem Wohlergehen interessiert. Landläufigerweise kann man aber noch in ganz andererWeise für seine Kinder verantwortlich sein, weil man nämlich der ursächlicheGrund ihres Dasein ist, oder weil man bezahlen muß, wenn sie in allzu jungen Jahrenbeim Stehlen erwischt werden (muß man das?). Andererseits, wieder im landläufigenSinne, trägt man Verantwortung oft für Taten und Entscheidungen, die einemnicht gerade am Herzen lagen, geschweige denn, man könne hier von 'Liebe' oder'Fürsorge' sprechen. Kurz: Trotz des passenden Titels ist das Buch von Jonasoffenbar irrelevant.
Recht hat Jonas aber mit dem folgenden: Worüber Menschen immer Macht haben (nur) dafür sind sie auch verantwortlich. Die Forderung nach (vorgängiger) Übernahme von totaler Verantwortung Verantwortung fordert zugleich ein Streben nach Macht. Außerdem: auch Macht hat man primär über Ereignisse, sekundär über Dinge (Prauss).
(Siehe zu Jonas p. 37, 180-200, 253f.)
Ich möchte hier viel lieber festhalten: Was verantwortet wird, sind im weitestenSinne Sachverhalte, also 'daß unsere Kinder keine Zukunft haben' oder 'daßder Schlüssel im Schloß steckte', im engeren und korrekteren Sinne HandlungenHandlungsentscheidungen oder noch besser: Risiken. Verantwortung spielt eine Rolle
... notorisch immer dort, wo etwas schiefgegangen ist (Schäfer p. 83).
Auffällig ist (nach Schäfer, ebd.), daß wir auch für Unterlassungen verantwortlich machen, und zweitens nur für solches, das vermeidbar gewesen wäre.
Eine verantwortliche Entscheidung besteht in einem intendierten Sachverhalt, der in eine Reihe weiterer Sachverhalte gestellt wird. Diese weiteren Sachverhalte sind etwa das Machen von Entschuldigungen, das Einhalten von Folgeverpflichtungen, das Haben eines schlechten Gewissens oder das Suchen nach AUswegen im Fall des Scheiterns. Eine Entscheidung zu verantworten, heiß, diese weiteren Handlungen im Falle des Falles auf sich zu nehmen. Nicht zuletzt dadurch können nur integre, persistente Personen etwas verantwortlich entscheiden. Entscheidungen überhaupt fällen zu können, setzt eine zugrundeliegende Instanz voraus, die gewissen Forderungen entsprechen muß. Das Entscheider rational seien, ist insofern nicht eine empirische Annahme der mathematischen Entscheidungstheorie, sondern liegt bereits im Begriff des Entscheidens. Der Verantwortliche ist im wesentlichen ein Entscheider, und als erfolgreicher solcher muß er einheitlich und kohärent beschreibbar sein.
Das Objekt der Verantwortung läßt sich auch als ein dictum im Gegensatz zu einer res charakterisieren. Der Unterschied der beiden Haltungen zu den eigenen Verhaltungen: (1) secundum conpositionem = de dicto oder secundum divisionem = de re entspricht dem zwischen einer Verantwortungsübernahme in den Grenzen der Gesinnung oder auch für die Folgen. Der Gesinnungsethiker ist's zufrieden, wenn das dictum propositionis, auf das in seiner Selbstbeschreibung seine Verhaltung als Wunschresultat abzielt, gut ist. Der Verantwortungsethiker qua Konsequentialist fordert eine offene Handlungsbeschreibung, die bei Eintreten übler Nebenfolgen erweitert werden kann, so daß der Handelnde auch diese dann zu verantworten hat. Einem solchen Verantwortungsethiker gegenüber kann sich niemand auf die gute Selbstbeschreibung seines Handlungsziels berufen. Er hat damit zu rechnen, daß andere seine Handlungsziele mit gleichem Recht anders beschreiben. Das heißt: sein Handlungsziel ist ein Zustand der Welt de re, nicht de dicto.
Der Begriff des Unbewußten weist auf ein Mißverhältnis zwischen dem Intendierten und dem zu Verantwortenden hin: Zwar habe nicht ich bewußt x intendiert, aber ich habe die Möglichkeit, mir eine unbewußte Intention zuzuschreiben, die dann in den Rahmen des von mir Verantworteten fällt.
fertig. ich liebe copy&paste. Man muss nix wissen, man mus nur wissen wos steht *fg*
