Die Zukunft der Altersbezüge in Deutschland?

brainsheep

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Ich eröffne hier mal einen Thread über ein Thema, dass seit einigen Monaten wieder verstärkt in den deutschen Medien vertreten ist und vielen Menschen in Deutschland seit Jahren in den Köpfen herumspukt.
Es geht um die Zukunft der Altersbezüge in Deutschland.


Nach dem Vorstoß von Ursula von der Leyen, hat nun auch die SPD ein Konzept vorgelegt, wie die Zukunft der Altersbezüge aussehen könnte.
Ziel beider Modelle soll es sein, den prognostizierten massiven Anstieg von Altersarmut , welcher in Deutschland vielen Erwerbstätigen in Zukunft droht, zu verhindern oder zumindest abzumildern.

Doch wie sehen die Konzepte aus?

Zuschussrente a la von der Leyen
http://www.tagesschau.de/inland/zuschussrente108.html

Solidarrenten a la SPD
http://www.tagesschau.de/inland/rentendebatte108.html

Kritik gibt es übrigens nicht nur von Gewerkschaften, Arbeitgebern und Sozialverbänden.
Hier mal ein recht interessantes Interview mit einem Sozialforscher.
http://www.tagesschau.de/inland/altersarmut132.html


Jetzt seid ihr gefragt.
Helfen die Konzepte wirklich, Altersarmut wirksam zu bekämpfen oder werden die Ursachen der Probleme nicht erkannt?
Ist die Situation wirklich so schlimm, dass der Staat helfen muss und wie schätzt ihr eure eigene Situation ein?
 
Last edited:
Ich finde das im Interview gesagte Recht wichtig für die Thematik, dass die gesetzliche Rentenversicherung eigentlich recht heftigst auseinandergenommen wurde. Nur, gerade so ein System funktioniert eben nur als Solidarsystem, wo wirklich alle dabei sind und damit Schwankungen abgefangen werden. Private oder nach Gruppen aufgeteilte Altersvorsorge ist illusorisch, weil sie gerade diesen ausgleichenden Solidaritätsfaktor beseitigt. Der Sinn der Rente, nachdem man sich sein Leben lang für die Gesellschaft abgeackert hat sicher sein Leben leben zu können, ist schlicht eine Gemeinschaftsidee, und ohne Gemeinschaft wird sie nicht funktionieren.

Ich weiß es klingt billig, aber diese aktuellen Gegenmaßnahmen sind für mich reine Symptombekämpfung, die vielleicht kurzfristig greifen werden, aber bei der nächsten größeren oder kleineren Gesellschaftsstrukturänderung mit hoher Wahrscheinlichkeit mit 180 Sachen aus der Kurve fliegen werden. Für das Rentensystem ist es schlicht und ergreifend nötig, dass es zentral und einheitlich bestimmt wird, das geht a) nur durch den Staat und b) indem man das ganze Zeug von Grund auf ohne Flickenteppich neu durchplant.
 
Halte das Ganze für ein Ablenkungsmanöver. Die EZB ist mit ihrer Geldpolitik gerade dabei, massive Inflationsrisiken einzugehen, was letztlich für die Ersparnisse vieler jetziger und zukünftiger Rentner eine riesige Gefahr darstellt. Dagegen ist das bisschen Pille Palle, was da gerade diskutiert wird, ein Witz.

Und wenn man sich abseits von Betriebsrenten, privater Altersvorsorge etc. mal nur unser umlagefinanziertes Sozialversicherungssystem anschaut, kann einem vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung (Geburtenrate von nur um die 1,4) Angst und Bange werden. Hier müsste man eigentlich stärker Ansetzen: Mehr Kinder, die besser ausgebildet werden und so später einen guten Job bekommen können müsste das Ziel sein. Damit würde man viele Fliegen mit einer Klappe schlagen (z.B. auch die Innovationskraft stärken). Darüber liest und hört man allerdings recht wenig - wie so oft will man sich mit den Ursachen und den langfristigen Folgen nur ungern beschäftigen.
 
die erzählungen sowie das handeln der einheitspartei cdu/fdp/grüne/spd in sachen rente gehören zu den größten volksverarschungen des 21. jahrhunderts.
nur mal ein paar kurze gedanken:

demografie: wie zuverlässig sind nochmal prognosen 20 jahre++? wie sähe es mit einwanderern und deren weiterquailfikation aus?

einkommen aus vermögen sind relativ zu jenen aus arbeit gestiegen. das bip/die produktivität sind stetig gewachsen, gleichzeitig gabs reallohnkürzung, prekäre jobs etc. wovon und in welcher höhe werden gleich nochmal die rentenzahlungen geleistet?

wer verdient an riester und co.?

was verträgt sich besser mit der finanzkrise? die grv oder die private kapitalgedeckte?

wer zahlt eigentlich noch in die grv ein?


watt sollte man also machen, anstatt so wahlkampftaktische nebelkerzen-diskussionen wie v.d.l anzustoßen:
rentenfaktor wieder erhöhen, reallohnsteigerungen durchsetzen, grv für alle berufsgruppen, abschaffung von riester und co.....

ahjo, hier möge man mich ggf. korrigieren: waren die rahmenbedingungen für die 850€ von vdl nicht 35 beitragsjahre bei gleichzeitg 35 jahre riester? <-- lol?
 
Das Rentensystem ist schon seit Jahren am Ende. Alles, was in der letzten Zeit gelaufen ist und was aktuell diskutiert wird, sind reine Notmaßnahmen, um den Kollaps noch etwas zu verzögern. Jedem muss klar sein, dass er aus der gesetzlichen Rente nicht viel zu erwarten hat - vor allem, wenn er das Renteneintrittsalter nicht schon relativ bald erreichen wird.

Ich finde es insoweit auch scheinheilig, wie die Politik agiert. Es muss viel deutlicher kommuniziert werden, dass das System so wie es ist für die Jungen von heute einfach nicht mehr funktionieren wird. Es gibt immer noch unzählige Leute, denen dar Charakter als Umlagensystem nicht hinreichend deutlich ist - zu viele meinen noch immer, dass sie jetzt ja in die Rentenkassen einzahlen und deshalb später schon etwas herausbekommen würden.

mE sollte jeder private Vorsorge betreiben und sich im besten Fall von der gesetzlichen Rente vollständig unabhängig machen. Dass das gerade für Geringqualifizierte nicht möglich ist, ist mir klar. Diese sollten aber zumindest die Zuschüsse und Steuervorteile nutzen und einige wenige Euro einsetzen. Heute wird dies häufig noch als Nullsummenspiel (oder gar Verlustgeschäft) verteufelt. Bei der zu erwartenden Entwicklung wird es aber in Zukunft sicherlich anders aussehen. Selbst wenn wir eines Tages eine große und positive Rentenreform erhalten, dürfte jedem Jahr private Vorsorge ein mit der Zeit immer höherer Mehrwert zukommen. Denn selbst in einem reformierten und besseren System wird es wohl kaum die blühenden Landschaften geben, die der Eine oder Andere sich erhofft.

Persönlich bin ich zumindest heil froh, dass ich mich mit dem Gang in die Anwaltschaft noch schnell aus der gRV verabschieden konnte, bevor es nach der nächsten Wahl ggf schon ein Einheitssystem ohne solche Exit-Option gibt (richtig wäre es mE eher, das Scheitern einzugestehen, jedem diesen Exit zu ermöglichen und das bestehende System abzuwickeln).

Man darf aber auch nicht ausblenden, dass selbst Versorgungswerke, Betriebsrenten und einzelprivatliche Vorsorge keine wirkliche Sicherheit bieten - wenn es zum Verfall der Währung kommt, kann auch die dort erworbene Anwartschaft schnell verlustig gehen oder auf einen kleinen Zusatztaler zur Sozialhilfe hinunterschmelzen. Daran aber wird man wohl ohnehin nichts ändern können.
 
Ich bin ehrlich etwas erstaunt, wie viele Zeitgenossen immer noch an diesen Demographie-Unsinn glauben.

Wie ich bereits im Rahmen anderer Themen geschrieben habe, haben wir dieses Demographie-Problem schon seit der Einführung der Sozialsysteme und diese sind, oh Wunder, noch nicht zusammengebrochen.
Das Ganze hängt, wie im verlinkten Interview im Eingangspost bereits erwähnt, damit zusammen, dass im gleichen Zeitraum auch jeweils die Produktivität der Gesellschaft gestiegen ist, es gibt also auch mehr zu verteilen.

Ich will nicht in Abrede stellen, dass wir in Deutschland durch die Wiedervereinigung und die Babyboomer-Generation gewisse Mehrbelastungen haben, aber das Grundproblem besteht darin, dass in den letzten Jahrzehnten die Produktivitätszuwächse recht ungleichmässig verteilt worden sind.
Durch sinkende Löhne und Gehälter und das gleichzeitige Aussteigen immer mehr potentieller Beitragszahler, sinken natürlich auch die Einnahmen und das ist für ein Umlagenfinanziertes Rentensystem fatal, sodass die Politiker-Marionetten geradezu gezwungen werden, immer mehr Stellschrauben an der Rentenformel nach unten zu korrigieren.
Dieses Problem wird sich in der Zukunft durch den zunehmenden Niedriglohnsektor (20%) noch verstärken, denn, wer aufgrund niedriger Einkommen und gebrochener Erwerbsbiographien weniger einzahlt, bekommt am Ende auch weniger raus.
http://www.tagesschau.de/wirtschaft/niedriglohnsektor104.html

Ich finde es von der Politik unsinnig und im höchsten Maße heuchlerisch erst das Rentenniveau von 51% auf 43% bis 2030 abzusenken, gleichzeitig den Beitragssatz auf 19,0% zu senken, den Niedriglohnsektor massiv auszuweiten und sich dann zu wundern, dass keiner mehr von seinen Altersbezügen leben kann.

Das Absurdeste ist, dann das ganze System durch Steuermitteln und private Altersvorsorge stützen zu wollen, anstatt die Rentenformel anzupassen und sich mal Gedanken zu machen, welche Ursachen wirklich der Misere des Rentensystems zugrunde liegen, und dort gegenzusteuern.
Da dies aber gleichbedeutend mit einem Eingeständnis der Politiker-Kaste wäre, versagt zu haben, wird dies auf absehbare Zeit nicht passieren.
Lieber wird weitergewurschtelt und irgenwelche scheinheiligen Demographie-Unwahrheiten vorgeschoben.

Wir haben es bei der Sozialsystem-Misere nicht mit einem Demographie-Problem zu tun, sondern hier dokumentiert sich eindrucksvoll das gewollte und ungewollte Versagen der Politik!

Noch ein Satz zur privaten Altervorsorge.
Altersvorsorge ist wichtig und richtig.
Der Weg, die "Rentenlücke" über die Versicherungswirtschaft auszugleichen, wie er momentan propagiert wird, wird aber ebenso im Desaster enden, wie voraussichtlich, für viele Menschen, das Riestersparen; man nehme sich, in Sachen private Altervorsorge, nur mal Groß-Britanien als abschreckendes Beispiel.
 
Last edited:
jo, also mir kam gerade die idee, für die beantwortung meiner fragen punkte zu vergeben. dabei handle ich flexibel - indirekte antworten zählen auch^^


golan +1 für
Nur, gerade so ein System funktioniert eben nur als Solidarsystem, wo wirklich alle dabei sind und damit Schwankungen abgefangen werden. Private oder nach Gruppen aufgeteilte Altersvorsorge ist illusorisch, weil sie gerade diesen ausgleichenden Solidaritätsfaktor beseitigt. Der Sinn der Rente, nachdem man sich sein Leben lang für die Gesellschaft abgeackert hat sicher sein Leben leben zu können, ist schlicht eine Gemeinschaftsidee, und ohne Gemeinschaft wird sie nicht funktionieren.
die frage:
wer zahlt eigentlich noch in die grv ein?

fix +1 für
Man darf aber auch nicht ausblenden, dass selbst Versorgungswerke, Betriebsrenten und einzelprivatliche Vorsorge keine wirkliche Sicherheit bieten - wenn es zum Verfall der Währung kommt, kann auch die dort erworbene Anwartschaft schnell verlustig gehen oder auf einen kleinen Zusatztaler zur Sozialhilfe hinunterschmelzen. Daran aber wird man wohl ohnehin nichts ändern können.
die frage:
was verträgt sich besser mit der finanzkrise? die grv oder die private kapitalgedeckte?

brainsheep +1 für
Das Ganze hängt, wie im verlinkten Interview im Eingangspost bereits erwähnt, damit zusammen, dass im gleichen Zeitraum auch jeweils die Produktivität der Gesellschaft gestiegen ist, es gibt also auch mehr zu verteilen.

Ich will nicht in Abrede stellen, dass wir in Deutschland durch die Wiedervereinigung und die Babyboomer-Generation gewisse Mehrbelastungen haben, aber das Grundproblem besteht darin, dass in den letzten Jahrzehnten die Produktivitätszuwächse recht ungleichmässig verteilt worden sind.
Durch sinkende Löhne und Gehälter und das gleichzeitige Aussteigen immer mehr potentieller Beitragszahler, sinken natürlich auch die Einnahmen und das ist für ein Umlagenfinanziertes Rentensystem fatal, sodass die Politiker-Marionetten geradezu gezwungen werden, immer mehr Stellschrauben an der Rentenformel nach unten zu korrigieren.
Dieses Problem wird sich in der Zukunft durch den zunehmenden Niedriglohnsektor (20%) noch verstärken, denn, wer aufgrund niedriger Einkommen und gebrochener Erwerbsbiographien weniger einzahlt, bekommt am Ende auch weniger raus.
http://www.tagesschau.de/wirtschaft/...sektor104.html

Ich finde es von der Politik unsinnig und im höchsten Maße heuchlerisch erst das Rentenniveau von 51% auf 43% bis 2030 abzusenken, gleichzeitig den Beitragssatz auf 19,0% zu senken, den Niedriglohnsektor massiv auszuweiten und sich dann zu wundern, dass keiner mehr von seinen Altersbezügen leben kann.
die frage:
einkommen aus vermögen sind relativ zu jenen aus arbeit gestiegen. das bip/die produktivität sind stetig gewachsen, gleichzeitig gabs reallohnkürzung, prekäre jobs etc. wovon und in welcher höhe werden gleich nochmal die rentenzahlungen geleistet?

übrige fragen:
1. demografie: wie zuverlässig sind nochmal prognosen 20 jahre++? wie sähe es mit einwanderern und deren weiterquailfikation aus?
2. wer verdient an riester und co.? (hier gerne auch namen von (ex-)politikern/staatsdienern)
 
Ich finde es langsam wirklich deprimierend, dass Comedians zumeist sinnvollere, ehrlichere, logischere und vertrauenswürdigere Aussagen über unsere Systeme und ihre Schwächen treffen, als es eigentlich alle Politiker tuen. :(
 
Das liegt daran das Comedians (bzw eher: Satiriker) dafür bezahlt werden die traurige Wahrheit auszusprechen. Politiker nicht.
 
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