Welche und kostenlosen Strategiespiele gibt es sonst noch im Netz? In dieser Kolumne durchleuchtet Little das Browserspiel „Die Siedler Online“ und dessen Bezahlinhalte. Haben wir hier zur Abwechslung Mal kein pay2win Spiel?

Die letzten Jahre war eine Zeit voller Fortsetzungen und Reboots. Bereits  nahezu vergessene oder zumindest vernachlässigte Serien sollten so in neuem und zeitgemäßen Glanz erstrahlen. Oftmals ging das allerdings, trotz interessanter Ansätze, ziemlich in die Hose. Viele Reboots erlitten eine spielerische, wie auch kommerzielle Bruchlandung. Nach den Ereignissen der letzten Tage scheint man bei EA dieses Risiko mit Command and Conquer gar nicht erst eingehen zu wollen und hat den Stecker gezogen. In ein paar Fällen ging mit dem Reboot jedoch scheinbar alles gut. Einen dieser Titel wollen wir uns heute genau anschauen: Die Siedler Online. Bei seiner Ankündigung als Free2Play-Browserspiel wehte dem Titel mindestens ebenso viel negativer Wind um die Ohren wie Command and Conquer. Vor kurzem hatte das Spiel Geburtstag und wird nun auch nach drei Jahren weiterhin fleißig mit Updates und neuen Features versorgt. Mit dem Blick auf Command and Conquer fragt man sich dann natürlich wie es Blue Byte und Ubisoft gelungen ist, die Traditionsmarke, gegen den massiven Widerstand von Fans, in ein kostenloses Browserspiel umzuwandeln welches ausreichend Geld einspielt um auch im dritten Jahr noch mit Updates versorgt zu werden.

 

Alles altbekannt

Das Interface von Die Siedler Online

Einer der ersten großen Vorteile liegt auf der Hand: jeder der schon mal einen Siedler-Teil gespielt hat wird sich sofort zurechtfinden. Aber auch Neueinsteiger werden aufgrund einer umfangreichen Tutorialfunktion mit allen wichtigen Funktionen vertraut gemacht. So verwandelt sich das eigene Hauptgebäude innerhalb weniger Stunden in eine florierende Siedlung. Die ersten, grundlegenden Warenketten sind im Nu aufgebaut. Gerade am Anfang läuft dabei alles in akzeptabler Geschwindigkeit ab. Die für Browserspiele übliche Zwangspause kommt erst nach mehreren Spielstunden zum Tragen und nimmt mit fortschreitender Spieldauer und immer komplexeren Wirtschaftszweigen stetig zu. Bis dahin ist es jedoch für einen Anfänger ein langer Weg. Dies dürfte auch eine weitere Komponente im Erfolgsrezept darstellen. Von der Monetarisierung, welche primär auf der Verkürzung und der Vereinfachung der Produktionswege basiert, bekommt ein Neueinsteiger nichts viel mit und ist vor allen Dingen nicht darauf angewiesen. Wenn überhaupt werden diese erst nach vielen Stunden relevant. Und oftmals nicht einmal dann, denn nichts hindert einen daran, das Spiel zur Seite zu legen und einfach zu warten bis die entsprechenden Gebäude errichtet, oder die benötigten Waren produziert sind.

 

Harte Euros für ein paar Edelsteine

Der Kaufmann. Der ingame Shop von Die Siedler Online.

Die für Free2Play typische Echtgeldwährung nennt sich hier „Edelsteine“ und wird wie üblich in mehreren Paketen gestaffelt verkauft. Im Durchschnitt bekommt man etwa 200 Edelsteine pro Euro.  Wer für den Ausbau eines höherstufigen Produktionsgebäudes nicht mehrere Stunden (oder sogar Tage) warten will, der wird neben den Ressourcenkosten gerne einmal um mehr als 2000 Edelsteine erleichtert. Auch die eigentlich von der eigenen Wirtschaft produzierten Ressourcen kann der Spieler zu Preisen zwischen 10 und 900 Edelsteinen erwerben. Ferner gibt es bestimmte Items im Shop die dem Spieler das Leben etwas erleichtern. Dies fängt mit 650 Edelsteinen bei den zusätzlichen Baugenehmigungen an, welche die Anzahl der maximal platzierbaren Gebäude erhöhen. Für Wirtschaftsgebäude wie nicht-versiegende Wasserquellen muss der Spieler mit 895 Edelsteinen schon wesentlich tiefer in die Tasche greifen. Aber auch hier ist noch lange nicht Schluss. Wer entsprechend viel Zeit und vor allem Geld mitbringt, kann dieses in eine Edelsteinmine investieren. Diese kostet sage und schreibe 20.000 Edelsteine, produziert allerdings über einen Zeitraum von 12 Monaten 40.000 Edelsteine und versiegt danach.

 

Warum 100 Euro für ein Gebäude noch lange kein Pay2Win ist

Der schwarze Priester. Eines des Abenteuer in Die Siedler Online

Das alles klingt jetzt natürlich erst einmal nach unverschämt viel Geld und riecht in der ersten Betrachtung stark nach Pay2Win. Hier muss man jedoch erst einmal erwähnen, dass man in „Die Siedler Online“ nicht im klassischen Sinne gewinnen kann. Auch nach drei Jahren gibt es bisher keinen PvP Modus. Über einen solchen wird zwar immer wieder einmal laut nachgedacht, umgesetzt wurde dieser jedoch bisher nicht. Die einzige „Win“ Komponente im Spiel stellen die Abenteuer dar, welche man benötigt um an die kostbarsten Rohstoffe zu kommen. In diesen muss der Spieler alleine, oder zusammen mit Freunden, innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens eine Karte von Banditencamps säubern. Schafft er dies wartet am Ende eine Belohnung auf ihn. Allerdings ist es gerade bei den hochstufigen Abenteuern extrem langwierig und kostspielig eine entsprechende Armee aufzubauen. Dies dauerhaft mich Echtgeld zu finanzieren würde unglaubliche Investitionen benötigen, die wohl selbst über das hinaus gehen was „Whales“ (Spieler die besonders viel Geld investieren) bereit sind zu zahlen. Bei solch hohen Kosten ist die Frage nach der Balance zwischen zahlenden und nicht-zahlenden Spielern natürlich berechtigt. An dieser Stelle kommen jedoch mehrere Spielmechaniken zum Tragen, die eine möglicherweise entstehende Diskrepanz zwischen zahlenden und nicht-zahlenden Spielern abfedern.

 

„Selbst Whales können Armeen und Wirtschaft nicht dauerhaft mit Echtgeld finanzieren“

 

Ja is‘ denn heut schon Weihnachten?

Zum einen gibt es den für viele Free2Play Titel üblichen Loginbonus. Loggt sich ein Spieler eine Woche lang täglich ein, so bekommt er dafür am Ende 100 Edelsteine geschenkt. Damit kommen treue Spieler immerhin auf einen Betrag von rund 30 Euro pro Jahr. Und das lediglich als Dankeschön für den täglichen Login. Zusätzlich gibt es zu diversen Feiertagen wie gerade Halloween, oder auch zu besonderen Veranstaltungen wie der Fußball WM, Events bei denen man mit relativ geringem Zeiteinsatz sonst kostenpflichtige Items abstauben kann. Auch hier können Free2Play User  relativ leicht Gegenstände im Wert von mehr als zehn Euro erspielen. Zudem zeigen sich die Betreiber bei technischen Problemen sehr freizügig. Fallen die Server einmal aus, oder können sich Spieler aufgrund technischer Probleme nicht einloggen, wird dies meist mit durchaus großzügigen Geschenken wieder gut gemacht.

 

Und wer nicht hat, der handelt.

 

Die Händlergilde. Das ingame Auktionshaus von Die Siedler Online

Das ist aber noch nicht alles. Durch seinen Fokus als „soziale“ oder kooperative Wirtschaftssimulation kann nahezu jeder Gegenstand im Spiel, auch die meisten der für Echtgeld zu erwerbenden Gegenstände, im ingame Auktionshaus verkauft werden. Somit können auch Spieler die kein Geld investieren an die seltensten Rohstoffe und Gebäuden kommen. Zwar sind auch die dafür zu entrichtenden Rohstoffe nicht einfach zu erwirtschaften, aber ein Spieler der auf seine Wirtschaft achtet und im Auktionshaus klug ein- und verkauft kommt auch so in relativ kurzer Zeit zu Gebäuden für die er sonst einige Euro hätte hinlegen müssen. Wer das Spiel bisher einigermaßen aktiv verfolgt und insbesondere an den Events teilgenommen hat sollte Gegenstände im Wert von mehr als 100 Euro sein Eigen nennen können. Wer „Die Siedler Online“ also völlig kostenlos über einen längeren Zeitraum spielt, der ist durchaus in der Lage es ohne nennenswerte Abstriche zu genießen.

 

„Auch wer kein Geld investiert kann das Spiel ohne nennenswerte Abstriche genießen“

 

Wieder was gelernt!

Ubisoft und BlueByte haben es, trotz anhaltender Kritik, geschafft die altehrwürdige „Die Siedler“ Reihe in ein modernes Free2Play-Browserspiel umzuwandeln. Dabei zeigt sich, dass man profitable Free2Play-Spiele erschaffen kann, in denen auch der nicht-zahlende User keine großen Nachteile befürchten muss. Die Entwickler scheuen sich zudem nicht davor Free2Play-Usern einen fairen Zugang zu Items zu gewähren, die sonst zahlenden Spielern vorbehalten wären. Trotz oder vielleicht gerade wegen dieses Umstandes scheint das Spiel profitabel zu sein. Anders wäre eine Laufzeit von drei Jahren sowie die regelmäßigen Updates kaum zu erklären.

 

Was hätte Command and Conquer lernen können?

Natürlich bedarf es auch bei „Die Siedler Online“ eines gewissen Zeitinvestments um ohne die hart verdienten Euros an die entsprechenden Gegenstände zu kommen. Aber wer regelmäßig spielt, der wird dafür auch entsprechend belohnt. Und es bedarf dabei keines unmenschlichen Zeitinvestments. Eine halbe Stunde am Tag ist schon völlig ausreichend. Das Portemonnaie zu öffnen natürlich gern gesehen, aber kein Zwang. Der Entwickler steckt einem sogar noch regelmäßig ein paar Groschen zu. Gerade diese Aufweichung zwischen der sonst strikt getrennten Echtgeld- und Ingamewährung machen das Bezahlmodell von „Die Siedler Online“ so sympathisch.

Natürlich lässt sich das Geschäftsmodell einer durchaus komplexen, browserbasierten Wirtschaftssimulation nicht einfach auf ein clientbasiertes RTS wie Command and Conquer um münzen. Aber Spiele wie „Die Siedler Online“ zeigen, dass man bei einem guten Produkt keine Angst davor haben muss Teile des Spiels hinter einer sogenannten Paywall zu verstecken. Wer ein gutes Spiel anbietet, der findet auch ohne künstlichen Zahlungszwang seine Fans und Kunden. Ob für die Einstellung von Command and Conquer letztendlich die spielerische Qualität oder auch die Monetarisierung entscheidend war, lässt sich zum derzeitigen Zeitpunkt natürlich nicht abschließend sagen. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit, wie so oft, irgendwo dazwischen.

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