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Richtlinie zu Softwarepatenten vom Tisch
Normalerweise poste ich Tagesschau-artikel ja im Offtopic-Bereich, aber dieser gehört eindeutig in die Technikecke.
Quelle: Tagesschau
Red Hat (Enwickler von Red Hat Linux, Hauptsponsor von Fedora Core) und Sun Microsystems (Entwickler Java, Staroffice und Solaris, Hauptsponsor von OpenOffice.org) haben bereits ein gemeinsames Statement abgegeben (Achtung: Englische Sprache).
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Wider erwarten ging die Lobbyschlacht zwischen den Befürwortern und Nutzniesern der Richtlinie (allen voran IBM, Intel und Microsoft) und den mittelständischen, europäischen Softwareunternehmen und Open Source-Verfechtern zu Ungunsten von ersteren aus und das obwohl diese deutlich mehr finanziellen Spielraum für ihre Lobbytätigkeiten sowie den EU-Rat auf ihrer Seite hatten.
Die befürchtete Klage- und Abmahnwelle auf kleine Softwareunternehmen und Open Source-Projekten ist damit wohl vorerst verhindert worden.
Mich hat die Entscheidung des Parlamentes insoweit überrascht als das die Stimmung vor wenigen Wochen noch ganz anders war, die Befürworter der Richtlinie waren im Parlament in der Überzahl.
Es ist auf jeden Fall ein großer Tag für die europäische Softwareindustrie und Open Source-Szene.
*edit:
Neben der offensichtlichen Bedrohung von diversen Existenzen hätte die Richtlinie, sofern sie durchgekommen wäre, auch die Innovation auf dem Softwaremarkt ausgebremst. Man bedenke, dass Patente eine Gültigkeit von 20 Jahren haben und es dürfte wohl jedem einleuchten, dass 20 Jahre auf dem Computermarkt ein gelinde gesagt nicht unerheblicher Zeitraum sind.
20 Jahre in den niemand, außer das patenthaltende Unternehmen und die Unternehmen die von diesem die Erlaubnis dazu erhalten, eine patentierten Konzepten/Quellcode/Ideen weiterentwickeln darf. Verschlimmert wird das Ganze noch durch die schwammige Formulierung des Richtlinientextes. Begriffe wie "computerimplementierten Erfindung" lassen doch einige Interpretationsweisen zu, man kann also allen möglichen Schei* patentieren lassen, sofern man das nötige Kleingeld (~30.000 EUR) hat. Es würde im Endeffekt wohl oftmals auf Ideenpatente hinauslaufen und es ist ja nicht unbedingt der Sinn von Patenten Ideen an sich zu monopolisieren.
Normalerweise poste ich Tagesschau-artikel ja im Offtopic-Bereich, aber dieser gehört eindeutig in die Technikecke.
Entscheidung über umstrittene Richtlinie
Richtlinie zu Softwarepatenten vom Tisch
Die umstrittene EU-Richtlinie zu Softwarepatenten ist vom Tisch. Das Europaparlament wies die Vorlage des EU-Rats in Straßburg mit überwältigender Mehrheit zurück. Die Entscheidung steht am Ende eines langen, erbitterten Streites. Worum ging es dabei?
Von Sabine Klein, tagesschau.de
Mehr als drei Jahren tobte der Streit um Software-Patente in Europa. Nun ist der Kampf entschieden: Die Vorlage des EU-Wettbewerbsrates, von der befürchtet wurde, sie könne eine Flut neuer Softwarepatente auslösen, konnte die EU-Parlamentarier letztlich nicht überzeugen. Worum ging es bei dem Streit? Die Gegner der Richtlinie fürchteten den Verlust von Arbeitsplätzen, die Befürworter befürchten nun das selbe, weil sie gescheitert ist.
Zitat von Hartmut Pilch, FFII:"Die Idee, irgendetwas zu machen, wird patentiert. Das ist so, als würde man sich patentieren lassen, dass man morgens Kaffee trinken könnte."
Kernpunkt in der Diskussion ist die Frage, ob die Richtlinie neben technischen Erfindungen zum Beispiel in Autos oder bei Haushaltsgeräten, für die Software eine wichtige Rolle spielt, auch reine Software-Patente ermöglicht. Die Formulierungen der Richtlinie sind an dieser Stelle allerdings nicht sehr konkret: Danach kann ein Patent vergeben werden, wenn einer Erfindung ein "technischer Beitrag" zugrunde liegt, der sich "vom Stand der Technik abhebt. Entscheidend soll das Know-how einer "fachkundigen Person" sein.
Gegnern der Richtlinie sind diese Formulierungen viel zu unscharf: "Es gibt verschiedene Deutungen des Wortes 'Technik'", kritisiert Hartmut Pilch vom Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (ffii) im Gespräch mit tagesschau.de: "Wenn man den Begriff weich auslegt, bedeutet das, dass man praktisch alles patentieren lassen kann, außer vielleicht Astrologie." Kathrin Bremer vom Branchenverband Bitkom, der hauptsächlich größere Unternehmen vertritt, sieht das nicht so: "Wir sind der Auffassung, dass die Richtlinie des Rates eine gute Basis ist, um zu verhindern, dass reine Ideen patentiert werden können", sagte sie im Gespräch mit tagesschau.de.
Zitat von Kathrin Bremer, Bitcom:"Wir wollen keine Trivialpatente. Und die werden durch den Richtlinientext - so, wie er jetzt ist - auch unterbunden."
In den USA, wo es sehr viel leichter ist, Patente zu erwerben, wurden bereits Tausende so genannter Trivial-Patente vergeben. Die Gegner der Richtlinie fürchteten, dass künftig auch in Europa Selbstverständlichkeiten, wie der Einkaufswagen im Onlineshop, betroffen sein könnten.
Große gegen Kleine
Im Kampf um die Software-Patente stehen sich zwei Lager frontal gegenüber: Industriekonzerne und große IT-Unternehmen verweisen auf die Bedeutung des Schutzes geistigen Eigentums auch bei Software. Sie wollen eine möglichst scharfe Patentregelung. Viele kleine und mittlere Unternehmen sowie die Anhänger der offenen Software-Entwicklung (open source) lehnen eine Patentierbarkeit ab. Besteht das Patent auf eine bestimmte Software, darf der Inhaber Lizenzgebühren verlangen. Werden diese nicht gezahlt, kann der Patent-Inhaber gegen den Verstoß klagen.
Keine Zukunft mehr für open source?
In Europa und in Deutschland ist Software derzeit durch das Urheberrecht geschützt. In den USA hat das dortige Patentrecht dazu geführt, dass der Anteil der freien, quelloffenen Software stark zurückgegangen ist - auf ca. 30 Prozent, schätzt Hartmut Pilch vom ffii. Die Gegner der Software-Patente fürchteten, dass open source auch in Europa keine Zukunft mehr haben könnte. Die freien Entwickler melden bewusst keine Patente auf ihre Ideen an. Zum einen kostet eine Patentanmeldung viel Geld (bis zu 50.000 Euro), zum anderen verstößt die Patentanmeldung gegen die Philosophie der Szene. Hätte das EU-Parlament sich für die Patentierbarkeit von Software entschieden, hätten die freien Entwickler ein Problem gehabt: Sie verfügen über keine eigenen Patente, die sie eventuell in die Waagschale werfen könnten und ihre Arbeit wäre durch die Vielzahl der zu erwartenden neuen Patente faktisch unmöglich gemacht worden.
Jobs könnten wegen der Richtlinie verloren gehen
Verlierer wären darüber hinaus auch viele mittelständische IT-Firmen und Anwender gewesen. Sie hätten nicht nur die dann fälligen Patentgebühren zu zahlen gehabt. Sie hätten auch für jedes Projekt teuer abklopfen lassen müssen, ob sie ein Patent verletzen. Viele kleine Unternehmer hätte das überfordert. Pilch vom ffii spricht sogar von einigen hunderttausend gefährdeten Firmen. "Solche Unternehmen haben sich kein Patent-Portfolio zugelegt. Die haben einfach nicht geglaubt, dass sie in diesem Bereich aktiv werden und sich an dem Wettrüsten beteiligen müssten, weil sie das für absurd - und verboten - hielten." Nach Pilchs Prognose wären Arbeitsplätze verloren geganen, wenn die Richtlinie durchgekommen wäre: "Es ist schwer zu vermeiden, dass einige Firmen dicht machen, wenn sie jedes Mal fürchten müssen, mit Klagen überzogen zu werden."
Jobs könnten ohne Richtlinie verloren gehen
Den Verlust von Arbeitsplätzen fürchten auch die Befürworter des Software-Patentschutzes - aber genau aus dem gegenteiligen Grund. Sie argumentieren, dass sie sich ihre teuer bezahlten Entwicklungen patentieren lassen müssten, da man sonst den Weltmarkt Amerikanern und Asiaten überlassen würde. Diese Firmen - geschützt durch das Patentrecht in ihrer Heimat - würden europäischen Unternehmen Marktanteile wegnehmen, was langfristig zum Verlust von Jobs führen würde, so die Argumentation. "Es wird sehr viel Geld in die Forschung und Entwicklung gesteckt", so Kathrin Bremer von Bitkom, "und wenn man die nicht irgendwie sichern kann - und das kann man eben nur mit Patenten - dann wird zum Einen nicht mehr so viel investiert, was schlecht für den Standort Europa ist, und zum Anderen besteht die Gefahr, dass die Unternehmen sich hier nicht mehr halten können und abwandern."
Quelle: Tagesschau
Red Hat (Enwickler von Red Hat Linux, Hauptsponsor von Fedora Core) und Sun Microsystems (Entwickler Java, Staroffice und Solaris, Hauptsponsor von OpenOffice.org) haben bereits ein gemeinsames Statement abgegeben (Achtung: Englische Sprache).
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Wider erwarten ging die Lobbyschlacht zwischen den Befürwortern und Nutzniesern der Richtlinie (allen voran IBM, Intel und Microsoft) und den mittelständischen, europäischen Softwareunternehmen und Open Source-Verfechtern zu Ungunsten von ersteren aus und das obwohl diese deutlich mehr finanziellen Spielraum für ihre Lobbytätigkeiten sowie den EU-Rat auf ihrer Seite hatten.
Die befürchtete Klage- und Abmahnwelle auf kleine Softwareunternehmen und Open Source-Projekten ist damit wohl vorerst verhindert worden.
Mich hat die Entscheidung des Parlamentes insoweit überrascht als das die Stimmung vor wenigen Wochen noch ganz anders war, die Befürworter der Richtlinie waren im Parlament in der Überzahl.
Es ist auf jeden Fall ein großer Tag für die europäische Softwareindustrie und Open Source-Szene.
*edit:
Neben der offensichtlichen Bedrohung von diversen Existenzen hätte die Richtlinie, sofern sie durchgekommen wäre, auch die Innovation auf dem Softwaremarkt ausgebremst. Man bedenke, dass Patente eine Gültigkeit von 20 Jahren haben und es dürfte wohl jedem einleuchten, dass 20 Jahre auf dem Computermarkt ein gelinde gesagt nicht unerheblicher Zeitraum sind.
20 Jahre in den niemand, außer das patenthaltende Unternehmen und die Unternehmen die von diesem die Erlaubnis dazu erhalten, eine patentierten Konzepten/Quellcode/Ideen weiterentwickeln darf. Verschlimmert wird das Ganze noch durch die schwammige Formulierung des Richtlinientextes. Begriffe wie "computerimplementierten Erfindung" lassen doch einige Interpretationsweisen zu, man kann also allen möglichen Schei* patentieren lassen, sofern man das nötige Kleingeld (~30.000 EUR) hat. Es würde im Endeffekt wohl oftmals auf Ideenpatente hinauslaufen und es ist ja nicht unbedingt der Sinn von Patenten Ideen an sich zu monopolisieren.
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