Junge Menschen, die eine eigene Bleibe brauchen, sollten sich eine suchen und, wenn die Suche erfolgreich war, die Übernahme der Kosten dieser Unterkunft bei der zuständigen ALG-II-Behörde beantragen. Dem Antrag sollten sie eine Erklärung der Eltern beifügen, die deutlich macht, dass die Eltern nicht länger gewillt, das erwach-sene „Kind“ bei sich zu beherbergen. Der Gesetzgeber hat seine Rechnung im Wortsinne ohne den Wirt gemacht. Denn die Eltern erwachsener Menschen sind für ihre Kinder nicht mehr sorgeberechtigt, damit aber auch nicht mehr verpflichtet, ihren Kindern Wohnung zu gewähren. Und drohende Obdachlosigkeit ist allemal ein „schwerwiegender sozialer Grund“, der die Behörden verpflichtet, die Übernahme angemessener Wohn- und Heizkosten zuzusichern.
Die Eltern müssen auch nicht erläutern, warum sie nicht mehr mit ihrem „Kind“ zu-sammen wohnen wollen. Bereits im April 2005, also ein Jahr, bevor das SGB II-Änderungsgesetz in Kraft getreten ist, weigerte sich eine Behörde, einem 23-jährigen ALG-II-Bezieher eine eigene Wohnung zuzugestehen und verwies ihn auf die Woh-nung des Vaters. Der Vater wollte aber nicht mehr mit seinem Sohn unter einem Dach leben. Es gab zu viel Streit zwischen Vater und Sohn, was die Behörde veran-lasste, den Sohn zu einem „besseren Verhalten“ zu ermahnen. Dem setzte das Oberverwaltungsgericht in Bremen am 6. März 2006 entgegen, dass „... der Vater des Antragstellers jedoch nicht bereit (war), den Antragsteller in seine Wohnung aufzunehmen. ... Auf die Gründe, die zu der Entscheidung des Vaters geführt haben, kommt es nicht an. Es ist deshalb nicht Aufgabe der Antragsgegnerin oder der Ver-waltungsgerichte zu untersuchen, ob und ggf. inwieweit den Antragsteller ein Ver-schulden oder Mitverschulden daran trifft, dass es regelmäßig zu Streitigkeiten zwischen dem Antragsteller und seinem Vater gekommen ist. Der Vater des Antrag-stellers war auch nicht verpflichtet, dem Antragsteller Wohnraum in dem Haus zur Verfügung zu stellen, dessen Miteigentümer er war. Entsprechende Unterhaltsan-sprüche gegen seinen Vater hatte der Antragsteller nicht. Der Unterhaltsanspruch aus § 1601 BGB, der hier allein in Betracht kommt, ist nach § 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Barunterhalt gerichtet. Zum Unterhalt verpflichtet ist aber nur, wer selbst leistungsfähig ist (§ 1603 Abs. 1 BGB).“13 An den Festlegungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, auf die das Bremer Gericht hier verweist, hat des Erste SGB-II-Änderungsgesetz nichts geändert. Es kann auch nichts daran ändern.
Wenn Eltern erklären, nicht länger mit ihrem erwachsenen „Kind“ zusammen wohnen zu wollen, geben sie sich damit keineswegs als „Rabeneltern“ zu erkennen, sondern helfen sich und ihren Kindern bei der notwendigen Weiterentwicklung familiärer Beziehungen. Es ist die „Rechts“lage, die die Betroffenen nötigt, ihre elterliche Ver-antwortung auf etwas kuriosem Weg auszuüben.