Schaulust

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Jun 1, 2004
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Hiphopper, ca. 17 Jahre "Alex, ey komma rüber, der liegt unter Bus?" "Ey waas?" "Komm ma her, der Spacko liegt unterm Bus ey, will sich umbringen odaso", lacht laut.
Alex läuft an uns vorbei. Wir folgen ihm unwillkürlich, da wir in diese Richtung müssen.
Was wir sehen ist ein Mann, der sich so unter dem Bus, halb auf der Straße, halb auf dem Bürgersteig postiert hat, so dass wenn der Bus losfährt, sein Genick gebrochen würde. Ein verzweifelter Busfahrer, ein Bus der "evakuiert" wird, Polizisten die sich nähern. So weit so gut. Bis auf die gaffende Traube. Innerhalb weniger Sekunden kommen sie aus allen Ecken, wollen keine Episode des menschlichen Elends, des Schmerzes und der Verzweiflung verpassen, die den Mann dazu trieb, sich alkoholisiert das Leben nehmen zu wollen. An diesem schönen sonnigen Nachmittag in Siegen. Irgendwann um kurz nach vier. Alle gaffen sie, saugen ein, versperren den Weg für Helfer, sind untätig und ergötzen sich. Alles wie immer. Aber es kommt noch besser. Wie Alex und sein grenzdebiler Freund schon am Anfang angekündigt haben: Es ist nicht mehr nur die Schaulust. Es wird gelacht. Herzhaft gelacht. Es wird sich amüsiert, was das für ein Idiot sein muss. Man lacht, dass der Mensch sich das Leben nehmen wollte, an diesem sonnigen Nachmittag um kurz nach vier in Siegen. Und es waren nicht einzelne. Aber was passiert hier eigentlich? Woher diese Geilheit, diese Stimulation durch Leid. Dieses Verlangen zu Gaffen, diese Abgebrühtheit zu Lachen. Es ist ekelerregend.... Es hat mich ehrlich, tief schockiert.
 
Früher gab's nicht umsonst öffentliche Hinrichtungen. Das Publikum für sowas findet sich immer. Vielleicht ist es auch einfach nur die Lust am Nihilismus. So 'ne Art Rest-Dionysisches... oder so.
 
An sowas sieht man, wie gut es einem doch in Wahrheit geht :D
 
Also wenn man sich umbringen will dann soll man zumindest den Anstand haben es so zu machen dass nicht am Ende ein anderer Mensch, in dem Fall der Busfahrer, daran Schuld ist. :disgusted
Ich meine damit zerstört man doch sein Leben gleich mit? Der kann doch keine Nacht mehr ruhig schlafen...
 
Also wenn man sich umbringen will dann soll man zumindest den Anstand haben es so zu machen dass nicht am Ende ein anderer Mensch, in dem Fall der Busfahrer, daran Schuld ist. :disgusted
Ich meine damit zerstört man doch sein Leben gleich mit? Der kann doch keine Nacht mehr ruhig schlafen...



Ich muss sagen, ich bin sicher der letzte, der ein Anhänger der kirchlichen Einstellung, dass Selbstmord Sünde sei, wäre. Von mir aus kann sich jeder umbringen, der es will.

ABER: Dann doch bitte als "Stand alone" und nicht, indem andere es verursachen!

Das Springen vom Hochhaus: OK
Vor´n Zug springen: OK
Pulsader: OK

Aber so? Geht nicht... Muss dir da vollkommen zustimmen, Stef. Der Busfahrer wäre das eigentliche Opfer dieser Geschichte gewesen und das völlig zu unrecht.


@deviant: Kotzt dich denn das Gaffen an sich oder das Im-Weg-Stehen bzw. das Lachen an?

Weil das Gaffen, das finde ich jetzt nicht sonderlich dramatisch. Da sollte man sich auch nicht als Pseudomoralist aufspielen und sowas verurteilen, besonders nicht, wenn man selbst dabei stand.

Dass über sowas gelacht wird, ist erbärmlich, ja, da stimme ich dir zu.
Und Rettungswege blockieren sollte dazu führen, dass die Leute abgeführt werden.
 
Genau deshalb weil es eigentlich eines der egoistischten Dinge ist die ein Mensch tun kann ist es dem Selbstmörder auch vollkommen egal wieviel Leben er im Endeffekt damit zerstört, Hauptsache er selbst ist tot und muss die Sinnlosigkeit des Lebens, dass er sich selbst vergeigt hat oder mit dem er einfach nicht meher klar kommt, nicht mehr ertragen. Vom moralischen Standpunkt aus gesehen sollte er soviel Pietät oder Anstand besitzen und e snicht vor anderen zu machen doch solche Leute die soweit gehen haben das schon lange nicht mehr.
Selbstmörder sind gescheiterte Existenzen am absoluten Tiefpunkt ohne der Kraft und den Willen sich da wieder rauszuholen. Ich persönlich halte von Selbstmord nichts doch richtig verachtenswert finde ich die Personen, die versuchen sich umzubringe nur um Aufmerksamkeit zu erregen die gibt es leider auch oft viel zu oft.
 
[...]

ABER: Dann doch bitte als "Stand alone" und nicht, indem andere es verursachen!

Das Springen vom Hochhaus: OK
Vor´n Zug springen: OK
Pulsader: OK

Aber so? Geht nicht... Muss dir da vollkommen zustimmen, Stef. Der Busfahrer wäre das eigentliche Opfer dieser Geschichte gewesen und das völlig zu unrecht.
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Zugführer sind für dich keine Menschen?
 
Es ist sehr schwierig, sich in entschlossene Selbstmörder hineinzuversetzen. Wenn es nicht um akute Probleme sondern einen Dauerzustand geht, fehlt da wohl auch soziales Netz aus Freunden und der Familie, die den Menschen wieder auf die Beine bringen können.

Dann ist es meiner situationsfremden Meinung nach so, dass er, allein gelassen, wie er ist, selbst auch nicht an andere denkt. Er kennt es nicht, dass man sich für ihn interessiert, also kommt er gar nicht auf die Idee, an den Busfahrer zu denken.

Das ist eine üble Sauerei aber für mich, zumindest theoretisch, nachvollziehbar.
Es ist klar, dass keiner hier so denkt, wir sind aber wohl Welten von der Problematik entfernt.

In diesem Fall war auch noch Alkohol im Spiel und man kann die Zurechnungsfähigkeit des Mannes nicht einschätzen.
 
Jo, vor den Zug oder vom Dachspringen ist nicht standalone, es gibt immer Leute die die Sauerei dann wegmachen müssen und welche die von ihm getroffen werden könnten.


Halte das oben geschilderte für normal. Es war immer normal und wird auch immer normal sein, da braucht man sich auch nicht die Mühe geben dagegen anzukämpfen ^^. So ist eben die Gesellschaft, wayne :)
 
Jo, vor den Zug oder vom Dachspringen ist nicht standalone, es gibt immer Leute die die Sauerei dann wegmachen müssen und welche die von ihm getroffen werden könnten.


Stimmt, haste recht. Wobei mir dann auch spontan gar nicht mehr so viel einfällt, was wirklich stand alone ist. Dir?
 
Erhängen, Pillen schlucken...

Ich mags nicht, wenn Leute die Wege versperren. Hab ich selbst auch schon ein paar Mal, zum Glück nicht in so nem Fall, miterlebt.
 
Erhängen, Pillen schlucken...

Dann ist es das Problem des Vermieters.
Vielleicht noch von hohen Brücke ins Wasser springen am ehesten.

Wobei mir die Überlegungen geschmacklos vorkommen, deshalb belass ichs mal dabei.
 
vorallem in Siegen gibts doch so eine wunderbar hohe autobahnbrücke..
 
Das andere Leute da mit reingerissen werden ist schlimm aber sich darüber zu unterhalten welche Methode ein Selbstmörder am besten nehmen soll damit keiner auf sein Leid und das Leid der Gesellschaft bloss keiner aufmerksam gemacht wird, finde ich schon pervers.
 
Ich finde es auch schrecklich wenn an irgendeiner Unfallstelle 80 Leute rumm stehen die gaffen, labern, lachen und am besten noch Fotos machen.
Ich stell mir grad so vor ich würde jetzt z.B. nach einem Autounfall beim vollem Bewusstsein, eingeklemmt im Auto stecken und könnte der Horde von Gaffern sehen, wie sie sich an meinem leid ergötzen.
Einfach nur erbärmlich.
 
Da sieht man mal in was für einer Gesellschaft wir leben aber wenn es auf einmal uns selber trifft dann denkt man auf einmal ganz anders...
 
Ich finde es auch schrecklich wenn an irgendeiner Unfallstelle 80 Leute rumm stehen die gaffen, labern, lachen und am besten noch Fotos machen.
Ich stell mir grad so vor ich würde jetzt z.B. nach einem Autounfall beim vollem Bewusstsein, eingeklemmt im Auto stecken und könnte der Horde von Gaffern sehen, wie sie sich an meinem leid ergötzen.
Einfach nur erbärmlich.

Das ist ein direkter Angriff auf die Würde
 
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